»Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht.« — Václav Havel
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David X. Noack

Kritische Perspektiven auf Geschichte und internationale Politik

Rückschlag für Berlin

Einen herben Rückschlag für Berlin im Einflusskampf mit Russland hat die Stichwahl um das Amt des moldauischen Staatspräsidenten am Sonntag gebracht. Offizielle deutsche Vertreter hatten bei dem Urnengang in der 3,5-Millionen-Einwohner-Republik Moldau, die zwischen Rumänien und der Ukraine liegt, auf einen Sieg der liberalkonservativen Kandidatin Maia Sandu gesetzt; Sandu wollte die Orientierung des Landes auf die EU beibehalten. Gesiegt hat nun aber der Sozialist Igor Dodon, der nicht nur den Wechsel der Krim in die Russische Föderation anerkennt, sondern darüber hinaus die EU-Assoziierung Moldaus aufheben will. Dodons Sieg bedeutet eine weitere Wegmarke beim Schwinden des deutschen und EU-Einflusses in dem Land. Zuletzt hatten Neutralisten die Regierung übernommen und das Land bereits ein Stück weit von der NATO entfernt. Nun scheint sogar eine engere Anbindung der Republik Moldau an die von Russland geführte Eurasische Union nicht undenkbar.

Eine Richtungswahl

Bei der Stichwahl um das Amt des moldauischen Staatspräsidenten am vergangenen Sonntag hat sich der Vorsitzende der Partei der Sozialisten der Republik Moldau (PSRM), Igor Dodon, gegen die liberalkonservative Kandidatin Maia Sandu, die die kleine Aktions- und Solidaritätspartei (PAS) anführt, durchgesetzt. Bereits im ersten Urnengang hatte Dodon 47,9 Prozent der Stimmen erhalten; Sandu kam auf 38,7 Prozent, während Dumitru Ciuba?enco von der pro-russischen Partei Partidul Nostru (Unsere Partei) weit abgeschlagen mit 6,0 Prozent auf Platz drei landete. Die Stichwahl gewann nun Dodon mit rund 52 Prozent der Stimmen, während Sandu auf etwa 48 Prozent kam. Kurz vor dem ersten Wahlgang am 30. Oktober hatte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit Maia Sandu getroffen, was als Signal verstanden wurde, dass die PAS-Vorsitzende auf die Unterstützung Berlins setzen könne.[1] Sandu könne zudem mit der offenen Unterstützung Brüssels und Bukarests rechnen, berichtete die regierungsfinanzierte Deutsche Welle.[2] Dodon wiederum kritisierte, dass die EU bei ihren moldauischen Verbündeten aus geostrategischen Gründen beide Augen zudrücke angesichts deren massiver Korruption.[3] Tatsächlich sind die maßgeblichen auf Brüssel orientierten Kräfte tief in Skandale verstrickt – german-foreign-policy.com berichtete [4].

Trend nach Osten

Der Sieg des Sozialisten Dodon ist dabei kein Einzelfall, sondern spiegelt offenkundig die größeren Trends der politischen Stimmung in der Republik Moldau wider. Laut einer Umfrage vom Oktober favorisieren mittlerweile 44 Prozent der moldauischen Bürgerinnen und Bürger einen Beitritt zur von Russland angeführten Eurasischen Union, während die Unterstützung für eine EU-Vollmitgliedschaft auf nur noch 31 Prozent sank.[5] Laut einer aktuellen Umfrage zur Wahlabsicht bei den nächsten Parlamentswahlen würden Dodons Sozialisten mit 39,1 Prozent der Stimmen deutlich gewinnen. Zweitstärkste Kraft würde Sandus Pro-EU-Partei PAS mit 13,8 Prozent, drittstärkste Formation die ebenso auf Brüssel orientierte PDA (Partei für Würde und Wahrheit). Darüber hinaus würden wohl die prorussische Partidul Nostru (11,4 Prozent) und die derzeit noch regierenden Neutralisten von der Demokratischen Partei (11,5 Prozent) ins Parlament einziehen.[6] Die Pro-EU-Parteien, auf die die deutsche Außenpolitik in den vergangenen zehn Jahren gesetzt hatte, genießen derzeit nur noch das Vertrauen von nicht einmal einem Viertel der moldauischen Wählerschaft.

Gegen EU und NATO

Der Wahlsieger Dodon steht für eine Außenpolitik, die deutschen Interessen in der Region diametral entgegensteht. So erkannte Dodon den Wechsel der Krim in die Russische Föderation an, was nach seinem Sieg in der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen zu Verwerfungen mit der benachbarten Ukraine führte.[7] Darüber hinaus hat Dodons Partei einen Plan zur Föderalisierung der Republik Moldau vorgelegt, der das Potenzial haben soll, den langjährigen Transnistrien-Konflikt zu lösen.[8] Außerdem setzt sich die PSRM dafür ein, die EU-Assoziierung des Landes aufzuheben und der Eurasischen Union beizutreten.[9] Darüber hinaus will Dodon die sich regelmäßig zu Manövern in der Republik Moldau aufhaltenden NATO-Truppen des Landes verweisen.[10] Die Wahl Dodons stellt damit einen denkbar herben Rückschlag für die deutsche Einflusspolitik in Südosteuropa dar.

Korrupte Verbündete

Die Liberaldemokratische Partei, auf die die deutsche Außenpolitik lange Zeit gesetzt hatte, ist derweil ohne größere Unterstützung in der moldauischen Bevölkerung. Schon bei der moldauischen Parlamentswahl Ende 2014 war es zu größeren Unregelmäßigkeiten seitens der Pro-EU-Kräfte wie etwa der Liberaldemokratischen Partei gekommen; die Bundesregierung hatte dies umstandslos akzeptiert (german-foreign-policy.com berichtete [11]). Kurz nach dem Urnengang wurde bekannt, dass unbekannte Hintermänner kurz vor der Parlamentswahl mehr als eine Milliarde US-Dollar aus der Staatskasse gestohlen hatten, indem sie Kredite staatlicher Banken an dubiose Kredithäuser organisierten. Aktionen wie diese verleiteten William H. Hill, den früheren OSZE-Vertreter in der Republik Moldau (im Amt von 1999 bis 2001 und von 2003 bis 2006), zu der Aussage, die lokalen Anhänger einer EU-Integration der Republik Moldau agierten nicht nur „schwach“, sondern geradezu „pervers“.[12] Moldau stürzte Ende 2014 prompt in eine Staatskrise; fünf Premierminister gaben sich im Verlauf des Jahres 2015 die Klinke in die Hand.

Neutralisten an der Regierung

Nach der Parlamentswahl kam es zum offenen Machtkampf zwischen dem Oligarchen Vladimir Filat, dem Parteichef der Liberaldemokraten, und dem Neutralisten Vladimir Plahotniuc, der als Strippenzieher in der Demokratischen Partei gilt. Plahotniuc, reichster Oligarch des Landes, gewann den Machtkampf und konnte einen persönlichen Vertrauten als Premierminister durchsetzen. Freilich stieß auch er auf massive Proteste: Demonstranten, die die Macht der Oligarchen in Moldau scharf kritisierten, stürmten das Parlament; Plahotniucs Premierminister konnte nur im Amtssitz des Präsidenten vereidigt werden.[13] Dennoch war die Tatsache, dass Plahotniucs Neutralisten an die Regierung gelangten, ein erster Rückschlag für die deutsche Politik in der Region.

Umschwung in den Medien

Mit dem Amtsantritt des neutralistischen Ministerpräsidenten Pavel Filip am 20. Januar 2016 kippte die Berichterstattung über die Republik Moldau in den deutschen Medien. Wurde das Land einst als Musterbeispiel einer demokratischen Entwicklung in Südosteuropa gepriesen, so dominieren seither negative Meldungen. Über Plahotniuc etwa hieß es im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, er sei „auf dem besten Wege“, „die kleine bettelarme Republik Moldau aufzukaufen“.[14] Diese Tendenz ist in der Tat nicht zu bestreiten; sie setzte allerdings spätestens mit dem Regierungsantritt der auf die EU orientierten Kräfte im Jahr 2009 ein, während sie erst mit der Abkehr des Landes von der EU Eingang in die Berichterstattung der deutschen Leitmedien fand. So entdeckte etwa die Frankfurter Allgemeine Zeitung, Plahotniuc kontrolliere „direkt oder indirekt […] 80 Prozent der moldauischen Medien“.[15] Zuletzt ist die unterlegene Kandidatin der Stichwahl vom Sonntag, Maia Sandu, mit ihrer Zustimmung zur EU-Assoziierung zur moldauischen Lieblingsfigur der deutschen Medien geworden. Dodons außenpolitische Präferenzen lassen nach Lage der Dinge eine negative künftige Berichterstattung über ihn vermuten.

[1] Alisa Bauchina: Wahlen in Moldau: Zwischen Europa und Russland. heise.de 01.11.2016.
[2] Robert Schwartz: Opinion: Is Moldova’s European dream over? dw.com 01.11.2016.
[3] Robert Schwartz: The Republic of Moldova at a crossroads. dw.com 28.10.2016.
[4] S. dazu Drohender Rückschlag.
[5] Pro-Russia presidential candidates tipped to win in Bulgaria and Moldova. theguardian.com 13.11.2016.
[6] Doina Salcu?an: BOP 2016: Cinci partide ar accede în Legislativ în cazul unui scrutin parlamentar. unimedia.info 20.10.2016.
[7] Vadim Vasiliu: Ukrainian ambassador summoned to Kiev after Dodon recognized the annexation of Crimea to Russia. deschide.md 01.11.2016.
[8] Moldova’s opposition mulling support for Dodon in runoff election. tass.com 02.11.2016.
[9] Pro-Russia presidential candidates tipped to win in Bulgaria and Moldova. theguardian.com 13.11.2016.
[10] Robert Schwartz: The Republic of Moldova at a crossroads. dw.com 28.10.2016.
[11] S. dazu Moldawiens europäische Wahl.
[12] Pro-Russia presidential candidates tipped to win in Bulgaria and Moldova. theguardian.com 13.11.2016.
[13] David X. Noack: Tauziehen um Moldau. junge Welt 06.02.2016.
[14] Udo Lielischkies: Ein Mann kauft einen Staat – mit Haut und Haar. tagesschau.de 23.01.2016.
[15] Karl-Peter Schwarz: Ein halbseidener Machtmensch. faz.net 09.02.2016.

Erschienen in: german-foreign-policy.com, 15.11.2016.

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    […] Matei Rosca: Moldova gets surprise new government. politico.eu 08.06.2019. [2] S. dazu Rückschlag für Berlin. [3] David X. Noack: Berlin setzt auf Oligarchen. junge Welt 29.03.2017. Im Dezember 2017 erhielt […]

    --17. Juni 2019 @ 17:48
  2. Zwischen West und Ost | David X. Noack:

    […] Mit Staatsanwälten spielt man nicht. Frankfurter Allgemeine Zeitung 15.11.2019. [5] S. dazu Rückschlag für Berlin. [6] EPP Presidency: Maia Sandu is the change Moldova needs (EN+RO). epp.eu 21.10.2016. [7] Kamil […]

    --13. Juli 2021 @ 08:14

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