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David X. Noack

Kritische Perspektiven auf Geschichte und internationale Politik

Ein alter Partner der Militärs

Im Rahmen der jüngsten Einflussbemühungen Berlins im südostasiatischen Umfeld der Volksrepublik China starten deutsche Firmen Geschäftsaktivitäten in Myanmar (früher: Burma). Letzte Woche hielt sich eine Wirtschaftsdelegation, darunter Vertreter der Commerzbank, in dem Land auf, um sich gute Startpositionen für die bevorstehende Aufnahme neuer Wirtschaftsbeziehungen zwischen Myanmar und dem Westen zu sichern. Engste Kontakte bestehen bereits zwischen ranghohen myanmarischen Militärs und einem deutschen Unternehmen, das von den 1950er Jahren bis in die 1980er maßgeblich mit der Aufrüstung des damaligen Burma befasst war und erst kürzlich den Auftrag zur Modernisierung der wichtigsten Flughäfen Myanmars erhielt – die Fritz Werner Industries Co. Tatsächlich galt die Bundesrepublik lange als Schlüsselland bei der Aufrüstung Burmas; viele der zur Zeit dort herrschenden Militärs benutzten jahrzehntelang bundesdeutsche Waffen und unterhielten Kontakte zu bundesdeutschen Rüstungsschmieden. Seit kurzem versucht Berlin seine Kontakte nach Myanmar wieder zu verstärken, um den Einfluss Chinas in dessen unmittelbarer Nachbarschaft zurückzudrängen.

China schwächen

Wie aus Myanmar berichtet wird, hielten sich letzte Woche Vertreter mehrerer deutscher Firmen in dem Land auf, um dort neue Geschäftsmöglichkeiten zu eruieren. Beteiligt waren neben Vertretern kleinerer und mittlerer Unternehmen auch Repräsentanten der Commerzbank und der Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG). Die Delegationsreise war vom Ostasiatischen Verein (OAV) organisiert worden. Sie ist Teil einer Einflussinitiative des Westens, die sich bereits nach dem Regierungswechsel in den USA angekündigt hat und mittlerweile zu ersten Ergebnissen führt. Ziel ist es, die bisherige Konfrontationspolitik durch kooperative Maßnahmen abzulösen und auf diese Weise die derzeit dominierende Stellung der Volksrepublik China in Myanmar zu schwächen (german-foreign-policy.com berichtete [1]). Das bislang spektakulärste Ereignis war der Myanmar-Besuch von US-Außenministerin Hillary Clinton vor wenigen Tagen. Für Anfang 2012 ist eine Reise des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Dirk Niebel, in die Hauptstadt Naypyidaw angekündigt. Dabei kann Berlin an die frühere Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik und Burma anknüpfen, die stets hochrangige Militärs einbezog.

Ein Schlüsselpartner

Das Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem ehemaligen Burma – das Land heißt erst seit 1989 offiziell Myanmar – war von Anfang an durch umfangreiche Waffengeschäfte geprägt. Die Rüstungskooperation begann noch vor der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen den beiden Staaten, die 1954 erfolgte. Bereits 1953 hatte die Fritz Werner Industrieanlagen GmbH aus Geisenheim (Hessen) Geschäftstätigkeiten in Burma gestartet. Damals ging es zunächst um die Herstellung der Maschinenpistole BA52.[2] Später errichtete die Fritz Werner GmbH gemeinsam mit der Waffenschmiede Heckler und Koch aus Oberndorf (Baden-Württemberg) in Burma eine Fabrik zur Herstellung des Sturmgewehrs G3, das zur Standardwaffe des burmesischen Militärs wurde. Die Lizenz hatte Bonn Yangon im Jahr 1960 erteilt. Zusätzlich genehmigte die Bundesregierung 1961 die Lieferung von 10.000 G3-Gewehren plus vier Millionen Schuss Munition – als Zwischenlösung, bis die Fabrik zur Lizenzproduktion der G3-Sturmgewehre in Burma gebrauchsfertig war.[3] Selbstverständlich wurden die deutschen Sturmgewehre von der burmesischen Armee auch eingesetzt – unter anderem bei der Niederschlagung der Massenproteste im Jahr 1988, bei der mehrere tausend Menschen ums Leben kamen.

Entwicklungshilfe und TNT

Nach dem Militärputsch von General Ne Win im März 1962 blühten die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und Burma auf. Allein zwischen 1969 und 1986 stellte Bonn dem Militärregime in Yangon 420 Millionen US-Dollar in Form von Krediten und „Entwicklungshilfe“ zur Verfügung. Der australische Myanmar-Experte Andrew Selth stufte die Bundesrepublik als „Schlüsselpartner“ des Ne Win-Regimes ein. In einer Publikation über die Rüstungsbeziehungen des Landes beschrieb er insbesondere, wie sich die Kontakte der Fritz Werner GmbH zur Junta in Yangon „kontinuierlich weiter“ entwickelten.[4] Bis 1988 versetzten bundesdeutsche Firmen, darunter die Fritz Werner GmbH, Burma in die Lage, in Eigenregie automatische Waffen, Kleinwaffen, Granatwerfer, Mörser, Handgranaten und Antipersonenminen herstellen zu können. Teilweise waren dabei Ingenieure der bundeseigenen Entwicklungsorganisation GTZ (Gesellschaft für technische Zusammenarbeit, heute GIZ) behilflich. In den 1980er Jahren kam noch eine Produktionsstätte für TNT hinzu. Als Dank für die Unterstützung durch die Fritz Werner GmbH errichtete die burmesische Militärjunta in der hessischen Kleinstadt Geisenheim – dort hatte die Firma ihren Sitz – eine Replik der Eingangshalle des Alten Palastes von Mandalay – in Originalgröße.

Chemische Waffen

Die Rüstungskooperation schloss sogar die Entwicklung von Chemiewaffen ein. Als sich Ne Wins Militärregime in den 1980er Jahren damit befasste, da spielte die Fritz Werner GmbH laut Andrew Selth eine „wichtige Rolle“. Neben ihren Burma-Geschäften war die hessische Firma unter anderem in Rüstungsdeals mit dem Irak und mit Iran involviert – im Gegensatz zu offiziellen Beteuerungen der Bundesregierung, die genannten Staaten nicht zu beliefern. Wegen der Rüstungsgeschäfte mit Burma lag Bonn sogar mit Washington im Streit. Berichten zufolge hat das burmesische Militär die Chemiewaffen tatsächlich eingesetzt – gegen Rebellen im Osten des Landes. Fachkenntnisse waren zweifelsohne vorhanden: Zwischen 1978 und 1989 erhielten insgesamt 15 Offiziere aus Burma bei der Bundeswehr in Sonthofen (Bayern) eine ABC-Abwehrausbildung. Beobachter weisen darauf hin, dass die Bundesregierung ein solches Training vor allem solchen Staaten in der sogenannten Dritten Welt anbot, in denen die Fritz Werner GmbH Geschäfte tätigte.[5]

Vom Gegner zum Partner

Das burmesische Ne Win-Regime hatte im Kalten Krieg einen strikten Neutralitätskurs gegenüber den Großmächten verfolgt. Schlechte Beziehungen unterhielt es jedoch zur Volksrepublik China. Beijing unterstützte in der Zeit von 1968 bis 1978 sogar einen Aufstand der Kommunistischen Partei Burmas. Die Entsendung chinesischer Kämpfer in das Bürgerkriegsgebiet gehörte zu den wichtigsten damaligen Außenaktivitäten der Volksrepublik. Dies hat Auswirkungen bis heute: Die meisten der zur Zeit in dem südostasiatischen Land herrschenden Militärs sind durch den Kampf gegen die prochinesischen Partisanen und ihre chinesischen Unterstützer geprägt. Dies steht in einem gewissen Spannungsverhältnis zur heutigen engen Bindung Myanmars an China. Diese ist ein ungewolltes Resultat westlicher Politik: Als Burma Mitte der 1980er Jahre in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten war und sich gegenüber dem Ausland öffnen musste, vergingen nur noch wenige Jahre, bis der Westen Anfang der 1990er Jahre Sanktionen gegen Myanmar verhängte. Unternehmen aus der Volksrepublik China hatten seitdem freie Bahn.

Minenopfer

Ganz ohne eigenes Standbein muss Deutschland in Myanmar jedoch nicht auskommen. Abgesehen davon, dass die herrschenden Militärs die frühere Rüstungskooperation mit der Bundesrepublik noch gut in Erinnerung haben dürften, ist die Firma Fritz Werner noch heute in Yangon präsent. Sie hatte nach der wirtschaftlichen Öffnung Burmas Mitte der 1980er Jahre die erste eigenständige Privatinvestition in dem Land getätigt. Im Sommer 2011 hat sie den Auftrag erhalten, die zentralen Flughäfen des Landes unter anderem in Naypyidaw, in Yangon und in Mandalay zu modernisieren. Die Fritz Werner Industries Co. gehört heute zum Ferrostaal-Konzern. Zu den Projekten, die sie und andere deutsche Firmen in der Vergangenheit in Burma unterstützten, gehörte die Herstellung von Antipersonenminen. Die deutsche Botschaft in Yangon ist derzeit damit befasst, mit Staatsgeldern sogenannte Kleinstprojekte durchzuführen, um in der myanmarischen Bevölkerung um Sympathie zu werben. Zu den „Kleinstprojekten“ gehört eines, das bei der Behandlung von Minenopfern hilft.

[1] s. dazu Das pazifische Jahrhundert (II)
[2], [3] Roman Deckert: „Stark und schnell“: Deutsche Waffen in Birma; www.bits.de November 2007
[4], [5] Andrew Selth: Burma’s secret Military Partners, Canberra 2000

german-foreign-policy.com, 08.12.2011

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