Machtkampf in Südostasien
Im weltweiten Machtkampf gegen China sucht die Bundesrepublik ihre Aktivitäten in Südostasien auszuweiten und bemüht sich zwecks Eindämmung des chinesischen Einflusses um eine Konsolidierung des Staatenbundes ASEAN. Exemplarisch zeigt dies die deutsche Politik gegenüber Laos, einem wenig beachteten Land, das an strategisch zentraler Stelle auf dem südostasiatischen Festland liegt. China treibt aktuell im Rahmen seiner „Neuen Seidenstraße“ den Bau einer neuen Eisenbahnstrecke vom südwestchinesischen Kunming über Laos bis nach Singapur voran. Das Projekt soll die Anbindung Südostasiens an die Volksrepublik stärken. Deutschland, das sich guter Beziehungen zu den laotischen Eliten rühmt, bemüht sich dagegen, die Einbindung des Landes in den südostasiatischen Staatenbund ASEAN zu stärken; das fördert dessen Eigenständigkeit gegenüber Beijing und schwächt den chinesischen Rivalen. Im Anschluss an die erste Deutschlandreise des laotischen Premierministers Thongloun Sisoulith im März 2019 hat Bundeskanzlerin Angela Merkel einen Gegenbesuch zugesagt.
Frühe Beziehungen
Laos, südlich an China, nördlich an Kambodscha grenzend und zwischen Myanmar und Thailand im Westen sowie Vietnam im Osten gelegen, hat eine relativ schwach entwickelte Wirtschaft, befindet sich aber an zentraler Stelle auf dem südostasiatischen Festland und besitzt damit geostrategische Bedeutung. Es ist fast so groß wie Rumänien, hat jedoch lediglich sieben Millionen Einwohner. Die Bundesrepublik Deutschland erkannte das damalige Königreich Laos bereits 1958 an, hielt auch nach dem Sieg der kommunistisch dominierten Befreiungsbewegung Pathet Lao im Jahr 1975 die Beziehungen aufrecht und baute sie sogar aus. In den 1980er Jahren importierte sie vor allem Kaffee aus dem Land.[1] Die nach dem Ende der Monarchie gegründete Laotische Volksrepublik pflegte in den 1970er und 1980er Jahren politisch und militärisch enge Beziehungen mit der Sowjetunion und dem Nachbarland Vietnam.
Öffnung des Landes
Nach dem Ende des realsozialistischen Systems in Osteuropa in den Jahren 1989 bis 1991 änderte sich in Laos politisch zunächst wenig. Die Laotische Revolutionäre Volkspartei (LRVP) regiert bis heute unangefochten. Nach dem achten LRVP-Kongress im Jahr 2006 gewannen zunächst pro-chinesische Politiker an Einfluss; bis zum Jahr 2013 stieg die Volksrepublik China zum größten Auslandsinvestor des Landes auf. Nach dem zehnten LRVP-Kongress im Jahr 2016 wiederum begann die laotische Regierung, ihre Beziehungen mit Mächten jenseits von China und Vietnam verstärkt auszubauen.[2] Seitdem bemühen sich mehrere Staaten um verstärkten Einfluss in Laos, darunter nicht zuletzt Deutschland und Russland.
Erster Staatsbesuch
Im März dieses Jahres bereiste der laotische Premierminister Thongloun Sisoulith die Bundesrepublik. Es handelte sich um den Besuch der bislang höchstrangigen Delegation des Landes in Deutschland überhaupt. Sisoulith traf sich unter anderem mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und lud sie zu einem Gegenbesuch ein; die deutsche Kanzlerin sagte zu.[3] Merkel erklärte: „Wir haben in der Frage der Wirtschaftsbeziehungen noch Nachholbedarf. […] Es gibt jetzt erste Ansätze der deutschen Wirtschaft, sich in Laos niederzulassen.“[4] Die zunehmende wirtschaftliche Öffnung des Landes bietet Gelegenheit dazu.
In einflussreichen Positionen
Laut einer von Wikileaks veröffentlichten internen Aufzeichnung von US-Diplomaten aus dem Jahr 2004 hatten Deutschland und Schweden „traditionell ein stetes Interesse an Laos“.[5] Wie die bundeseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) konstatiert, haben mehrere tausend Laoten in der DDR studiert; zudem haben allein in den vergangenen acht Jahren über 12.000 Laoten deutsch geförderte Berufsschulen in Laos besucht. „Viele laotische Deutschland-Alumni“, berichtet die KfW, „sind mittlerweile in einflussreiche Positionen in Politik und Wirtschaft aufgerückt und entwickeln dort die deutsch-laotischen Beziehungen positiv weiter.“[6] Die KfW und die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) sind bereits seit 1963 in dem südostasiatischen Land präsent.[7] Schon im Jahr 1964 eröffnete die laotisch-deutsche Sprachschule in Vientiane. An ihr haben seitdem über 10.000 Laoten ihren Abschluss gemacht. Derzeit wird die Bildungseinrichtung sogar noch erweitert.[8]
Chinas Einfluss
Hatte in den 1970er und 1980er Jahren Vietnam eine Vormachtrolle in Laos eingenommen, so lockerte Vientiane in den vergangenen 30 Jahren seine Bindungen an Hanoi, knüpfte dafür aber wichtige Kontakte zu Beijing. Bereits vor zehn Jahren wurde berichtet, die chinesische Armee habe im Süden von Laos – an der Grenze zu Thailand und Kambodscha – einen Horchposten etabliert.[9] Spätestens seit 2006 gewann China immer mehr an Einfluss. Schon im Jahr 2015 schätzte die Weltbank, 44 Prozent der laotischen Auslandsschulden bestünden bei chinesischen Gläubigern. Die Zahl dürfte sich seitdem erhöht haben.[10] Die chinesische Regierung forciert im Rahmen des BRI-Projektes („Belt and Road Initiative“, „Neue Seidenstraße“) den Bau einer Eisenbahnstrecke vom südwestchinesischen Kunming über Laos bis nach Singapur.[11] Im März 2015 stufte die chinesische Regierung den „China-Indochina Peninsula Economic Corridor“ als einen der sechs Hauptkorridore des BRI-Projekts ein.[12] Eine engere Anbindung der Staaten der Region an China liegt im strategischen Interesse der Regierung in Beijing.
Im deutschen Interesse
An einer engeren Anbindung des Landes an China ist wiederum die Bundesregierung nicht interessiert. Laut Auskunft der bundeseigenen GIZ ist es das Ziel der deutschen Entwicklungshilfeorganisation, alternativ Laos‘ „Integration in den ASEAN-Wirtschaftsraum sowie Zugang zu Krediten und anderen Finanzdienstleistungen“ zu fördern.[13] Im deutschen Interesse dürfte dabei sein, dass derzeit der mit Abstand größte Export- und Importpartner des Landes das südostasiatische Nachbarland Thailand ist. Mit dem von einer Militärjunta regierten Land pflegt Deutschland bereits seit Jahrzehnten enge Beziehungen.[14] Das überragende regionale Finanzzentrum der ASEAN-Region wiederum ist Singapur [15], mit dem Berlin ebenfalls seit langem enge Beziehungen unterhält.[16] Eine vertiefte ASEAN-Integration von Laos liegt deshalb im deutschen Interesse.
Russische Aktivitäten
Auch Russland verstärkt derzeit seine Aktivitäten in Laos. In den 1970er und 1980er Jahren pflegte die damalige Sowjetunion engste Beziehungen mit dem Land. Im Januar 2018 besuchte der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu die laotische Hauptstadt und sicherte russischen Unternehmen mehrere Rüstungsaufträge. Anschließend durfte das Moskauer Verteidigungsministerium sogar ein Vertretungsbüro in Vientiane eröffnen. Im Gegenzug zur Lieferung von Panzern, Kampfflugzeugen, Artillerie und anderen Waffensystemen erhielt Russland mutmaßlich Bergbaukonzessionen; die Details werden geheimgehalten.[17] Im November 2018 eröffnete darüber hinaus im ostlaotischen Khamkeut ein russisches Zentrum zur Minenräumung.[18] Die Minenräumer beseitigen dort die Reste der US-Bombardements aus den Jahren 1964 bis 1973.
Exil-Gruppen
Weltweit sind zwei bedeutende laotische Exil-Gruppen aktiv. In Gresham im nordwestlichen US-Bundestaat Oregon residiert seit dem Jahr 2003 eine selbsterklärte „Königlich-Laotische Regierung im Exil“; in Hohenlimburg in Nordrhein-Westfalen hat der Verein „Allianz für Demokratie in Laos“ seinen Sitz. Vor allem der in Deutschland beheimatete Verein sorgt in Laos und international immer wieder für Aufsehen. Vor vier Jahren erklärte das damalige Staatsoberhaupt Choummaly Sayasone, die Anführerin der „Allianz für Demokratie in Laos“ wolle lediglich durch Geldspenden an ihre Organisation Geld verdienen.[19] Vertreter des in Deutschland beheimateten Vereins erwecken allerdings durchaus den Anschein, entschlossen politische Ziele zu verfolgen; jedenfalls geben sie dem US-Propagandasender „Radio Free Asia“ regelmäßig Interviews.[20] Zur politischen Praxis der Bundesrepublik hat es immer wieder gehört, die Aktivitäten von Exilorganisationen in Deutschland zu nutzen, um Druck auf fremde Staaten auszuüben.
[1] Volker Berresheim: 35 Jahre Indochinapolitik der Bundesrepublik Deutschland, Hamburg 1986, S. 84.
[2] Shwan Crispin: Laos is a key link for China’s Obor, atimes.com 15.07.2017.
[3] PM’s visit: Germany pledges to help Laos banish poverty. vientianetimes.org.la 15.03.2019.
[4] Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel und dem Premierminister der Demokratischen Volksrepublik Laos, Thongloun Sisoulith, bundesregierung.de 13.03.2019.
[5] Wikileaks-Depesche 04THEHAGUE1021_a, Den Haag 23.04.2004.
[6] Laos. kfw-entwicklungsbank.de [ohne Datum].
[7] Renovated technical training school opens in Borikhamxay. vientianetimes.org.la 04.05.2019.
[8] Ground broken for second campus of Lao-German Technical College. vientianetimes.org.la 04.05.2019.
[9] S. dazu Auf nach Asien! (II)
[10] Bertil Lintner: Little Laos risks losing it all to China. asiatimes.com 13.05.2018.
[11] Shwan Crispin: Laos is a key link for China’s Obor. atimes.com 15.07.2017.
[12] Pepe Escobar, Luang Prabang: Where the Silk Roads meet the mighty Mekong. atimes.com 24.04.2019.
[13] Laos. giz.de [ohne Datum].
[14] S. dazu Juntachef im Kanzleramt.
[15] Jake Maxwell Watts/P.R. Venkat: Brand Singapore Takes a Beating. wsj.com 25.07.2016.
[16] S. dazu Asiens Münchner Sicherheitskonferenz.
[17] Richard Finney: Laos Trades Mining Concessions For Russian Jets, Tanks. rfa.org 28.12.2018.
[18] Skylar Lindsay: Laos continues to deepen military ties with Russia but risks Chinese backlash. aseantoday.com 04.02.2019.
[19] Paul Eckert: Exiled Democracy Activist Hits Back after Slur from Lao President. rfa.org 09.12.2015.
[20] Beispielsweise: Richard Finney: UN Committee Set to Examine Civil and Political Rights in Laos. rfa.org 14.06.2018.
Erschienen auf german-foreign-policy.com, 21.08.2019.