Moldawiens europäische Wahl
Nach ihrem von Unregelmäßigkeiten überschatteten Wahlsieg haben sich drei aus Deutschland unterstützte Parteien gestern auf die Bildung einer neuen moldawischen Regierung geeinigt. Die Organisationen, die jeweils mit einer parteinahen deutschen Stiftung kooperieren, kündigen nun eine weitere Annäherung Moldawiens an die EU an. Ihr Wahlsieg ist am vergangenen Sonntag nur mit Hilfe von Manipulationen zustandegekommen, die den Ausschluss einer rivalisierenden Partei von der Wahl und das Vorenthalten von Stimmzetteln in Wahllokalen beinhalten. Andernfalls hätten Parteien gewonnen, die der Annäherung an die EU ein Ende gesetzt hätten, räumt ein prominenter Politiker einer künftigen Regierungspartei ein. Für Berlin und Brüssel wäre das ein schwerer Schlag gewesen: Von den sechs Staaten, die sie mit ihrer „Östlichen Partnerschaft“ in das deutsch-europäische Hegemonialsystem einbinden wollten, haben sich ihnen drei verweigert (Belarus, Armenien, Aserbaidschan). Die EU-Assoziierung ist bisher nur mit Georgien und Moldawien ohne tiefgehende Friktionen gelungen; die Ukraine hat sie in einen Bürgerkrieg gestürzt. Käme es nun zu Problemen mit Chisinau, würde der Expansionsschritt weiter zurückgestutzt.
Mit den Oligarchen assoziiert
Vor den Wahlen in Moldawien hatten Beobachter eine Niederlage der seit 2009 regierenden Pro-EU-Parteien für nicht unwahrscheinlich gehalten. Ursache war zum einen, dass diese von Oligarchen dominiert werden und deshalb immer mehr an Ansehen verlieren. So wird etwa die Liberaldemokratische Partei (PLDM), die den Ministerpräsidenten stellt, von dem Oligarch Vlad Filat geführt. Dessen Image ließ es seiner Partei ratsam erscheinen, sein Konterfei von ihren Wahlplakaten fernzuhalten. Finanzier und stellvertretender Vorsitzender der Demokratischen Partei (PDM) ist mit Vladimir Plahotniuc ein womöglich noch einflussreicherer Oligarch, dem nachgesagt wird, die moldawische Anti-Korruptionsbehörde zu kontrollieren und daraus Vorteil zu ziehen. In Moldawien werde die EU „mit den Oligarchen assoziiert“, heißt es entsprechend in einem Bericht.[1] Nicht wirklich besser wird die Lage dadurch, dass die dritte einflussreiche Pro-EU-Kraft, die Liberale Partei (PL), als panrumänisch eingestuft wird; aus ihr heraus ist ein Anschluss Moldawiens an Rumänien gefordert worden. Dies befürworten zwar laut Umfragen 62 Prozent der Bevölkerung des EU-Mitglieds Rumänien, aber nur 15 Prozent der Moldawier.[2]
Keine Mehrheit mehr
Dass die Zustimmung der moldawischen Bevölkerung zu den Pro-EU-Parteien deutlich schrumpft, liegt zum anderen auch daran, dass die EU selbst im Lande erheblich an Sympathie eingebüßt hat. Sprachen sich zu Beginn des Annäherungsprozesses an die EU, als deren Ruf in Moldawien noch kaum durch Erfahrungen mit ihrer praktischen Politik getrübt wurde, an die 70 Prozent der Bevölkerung für die sogenannte europäische Integration aus, taten das vor fünf Jahren nur noch 55 Prozent. Gäbe es eine Wahl zwischen der EU und der von Russland geführten Eurasischen Union, so würden sich heute – nicht zuletzt nach einigen EU-üblichen, mit Hilfe des IWF erzwungenen Austeritätsprogrammen – nur 35 Prozent für Brüssel aussprechen, 43 Prozent hingegen für Moskau. Dabei hat das Auftreten der EU im Machtkampf um die Ukraine keine Trendwende eingeleitet. Im Gegenteil: Besteht Transnistrien – der Landesteil östlich des Flusses Dnjestr – ohnehin auf seiner Sezession, so begehrt mittlerweile auch das Autonome Gebiet Gagausien im Süden des Landes gegen die Pro-EU-Politik der Regierung auf. Im Februar haben sich in einem Referendum – bei einer Beteiligung von 70 Prozent – 97,2 Prozent gegen eine weitere Annäherung an die EU ausgesprochen, 98,4 hingegen für engere Beziehungen zur Eurasischen Zollunion.[3]
Manipulationen
Vor dem Hintergrund wachsender Abneigung in der Bevölkerung gegen die EU und ihre Statthalter ist es vor der Wahl in Moldawien zu bemerkenswerten Maßnahmen gekommen. So kandidierte eine frisch gegründete, weithin unbekannte Partei, deren Name demjenigen der in Moldawien traditionell starken Kommunistischen Partei stark ähnelt und die außerdem auf den Wahlzetteln mit demselben Kürzel (PCRM) und demselben Logo (Hammer und Sichel) wie diese erschien. Mit 4,9 Prozent blieb sie unter der eigens angehobenen 6-Prozent-Hürde, stahl der Kommunistischen Partei und damit dem EU-skeptischen Spektrum allerdings wertvolle Stimmen – mutmaßlich durch gezielt provozierte Verwechslung. „Irgendwer aus der Koalition“ habe die Partei „ins Leben gerufen“, erklärt der Bürgermeister der Hauptstadt Chisinau, ein Funktionär der Liberalen Partei (PL): „Ohne sie wären wir jetzt ohne Zweifel in der Opposition.“[4] Darüber hinaus wurde drei Tage vor der Wahl die Kandidatur der prorussischen Partei „Patria“ annulliert, weil sie angeblich Geld aus dem Ausland erhalten habe; Umfragen hatten ihr bis zu 18 Prozent vorhergesagt. Zudem hat die Wahlkommission in Russland, wo einige Hunderttausend Moldawier arbeiten und mit Geldtransfers in die Heimat einen zweistelligen Anteil am Bruttoinlandsprodukt erwirtschaften, nur fünf Wahllokale eingerichtet und sie mit lediglich 15.000 Wahlzetteln versorgt. Der faktische Entzug des Wahlrechts für zehntausende Wähler, von denen ein Mehrheitsvotum für prorussische Parteien zu erwarten war, hat keinerlei Konsequenzen.
Nur 40 Prozent nicht einverstanden
Die gravierenden Unregelmäßigkeiten sind auch deswegen bemerkenswert, weil aus der EU, die von dem zusammengetricksten Ergebnis profitiert, keinerlei Protest zu hören ist. Die Wahlen werden sogar ausdrücklich gelobt. „Das Votum zeigt, dass die Menschen in der Republik Moldau weiter nach Rechtsstaatlichkeit, Korruptionsbekämpfung und Modernisierung streben“, erklärt etwa die Sprecherin der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen für Osteuropapolitik, Marieluise Beck: „Sie setzen dabei auf die EU als Partnerin auf diesem Weg und erwarten von ihr zu Recht Unterstützung.“[5] Die Wahlen seien „fair und demokratisch“ verlaufen, urteilt die Friedrich-Naumann-Stiftung (FDP): „Die meisten Parteien“ seien „mit dem Ergebnis einverstanden – mit Ausnahme der Sozialisten und Kommunisten“.[6] Die beiden letzteren, deren Protest die FDP-Stiftung ignorieren zu können meint, haben gemeinsam rund 40 Prozent der Stimmen gewonnen und den Wahlsieg nur knapp verfehlt – mutmaßlich wegen der Manipulationen.
Parteienstiftungen und ihre Partner
Festgehalten zu werden verdient zudem, dass die Pro-EU-Parteien, deren Regierung die Unregelmäßigkeiten zu verantworten hat, direkt aus Deutschland unterstützt werden. So zählt die Friedrich-Naumann-Stiftung die Liberale Partei (PL) ausdrücklich zu ihren „Partnern“. Die Konrad-Adenauer-Stiftung arbeitet mit der konservativ orientierten Liberaldemokratischen Partei (PLDM) zusammen. Im August etwa hielt sie mit deren Frauen- bzw. Jugendorganisation jeweils Seminare zu den Themen „Political Leadership“ respektive „Politische Kommunikation“ ab. Kurz vor den Wahlen besuchte der Vorsitzende der Adenauer-Stiftung, Hans-Gert Pöttering, Chisinau – und traf dort unter anderem mit dem Oligarchen und PLDM-Vorsitzenden Vlad Filat und mit dem einstigen moldawischen Botschafter in Deutschland (2004 bis 2009), Parlamentspräsident Igor Corman, zusammen. Dieser gehört der Demokratischen Partei (PDM) des Oligarchen Vladimir Plahotniuc an. Zur PDM wiederum hält die Friedrich-Ebert-Stiftung (SPD) Kontakt; zum Beispiel lud sie Corman im November 2013 in ihre Zentrale in Berlin ein. Am 30. Oktober 2014, kurz vor der Wahl, hielt sie ein Treffen von Alumni ihrer „Politischen Akademie“ mit der PDM-Jugendorganisation ab.
Unsere Bastarde
Mit Blick auf die wachsende Ablehnung in der moldawischen Bevölkerung gegenüber der EU und auf die wachsende Protestbereitschaft in Moldawien gegenüber Pro-EU-Manipulationen werden in deutschen Medien inzwischen Warnungen laut, man dürfe die Lage im Land nicht unterschätzen: Brüssel müsse „unmissverständlich klarmachen“, dass es „nicht nach der Maxime handelt, die während des Kalten Krieges für Washingtons Verhältnis gegenüber den Militärdiktaturen in Lateinamerika galt: Sie sind Bastarde, aber sie sind unsere Bastarde.“[7] Zugleich heißt es vorbeugend, sollte es in Moldawien zu heftigeren Auseinandersetzungen kommen, dann trügen daran nicht die EU und ihre Statthalter die Schuld: „Es wäre verheerend, wenn Russland auch dieses Land im geopolitischen Großkonflikt mit dem Westen in die Enge treiben würde.“[8]
[1] Karl-Peter Schwarz: Lieber zu Putin. Frankfurter Allgemeine Zeitung 28.11.2014.
[2] Stanislav Secrieru: Can Moldova Stay on the Road to Europe? ECFR Policy Memo, January 2014.
[3] Gagauzia Voters Reject Closer EU Ties For Moldova. www.rferl.org 03.02.2014.
[4] Reinhard Veser: Knapp davongekommen. Frankfurter Allgemeine Zeitung 02.12.2014.
[5] Republik Moldau setzt EU-Kurs fort. www.gruene-bundestag.de 01.12.2014.
[6] Brennpunkt: Moldau (71-2014). www.freiheit.org.
[7] Reinhard Veser: Die Oligarchenfalle. Frankfurter Allgemeine Zeitung 04.12.2014.
[8] Klaus-Dieter Frankenberger: Moskau gegen Moldau. Frankfurter Allgemeine Zeitung 02.12.2014.
Erschienen in: german-foreign-policy.com, 05.12.2014.