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David X. Noack

Kritische Perspektiven auf Geschichte und internationale Politik

Deutschlands Partner-Sultanat

Deutschland intensiviert seit Jahren seine Beziehungen zu dem aktuell heftig kritisierten Sultanat Brunei. Brunei stößt international auf Protest, seit Sultan Hassanal Bolkiah angekündigt hat, die Todesstrafe für außerehelichen Geschlechtsverkehr und für Homosexualität einzuführen. Das entsprechende Gesetz ist am heutigen Mittwoch in Kraft getreten. Die Hohe Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte, Michelle Bachelet, hat es als „grausam und unmenschlich“ verurteilt. Die Bundesrepublik pflegt seit vielen Jahren gute Beziehungen zu dem südostasiatischen Land, dessen Sultan seit 1962 per Dekret herrscht und das seitdem über kein gewähltes Parlament mehr verfügt. Deutsche Konzerne unter anderem aus der Luftfahrt- und der Telekommunikationsbranche konnten sich attraktive Aufträge in Brunei sichern; deutsche Rüstungsfirmen liefern Munition und Marineschiffe. Das kleine Sultanat stand zeitweise auf der globalen Rangliste deutscher Rüstungskunden auf Platz vier. Inzwischen wurden auch erste Militärkontakte geknüpft – über Singapur.

Herrschaft per Dekret

Der 1967 – damals noch unter britischer Herrschaft – ins Amt gekommene bruneiische Sultan Hassanal Bolkiah ist derzeit in Personalunion Staatsoberhaupt, Premier-, Verteidigungs-, Außen-, Handels- und Finanzminister sowie oberster Hüter der islamischen Staatsreligion. Noch von seinem Vater übernahm er den 1962 nach einer Rebellion ausgerufenen Ausnahmezustand, der bis heute aufrechterhalten wird. Dadurch kann der Sultan per Dekret regieren.[1] Ein gewähltes Parlament existiert seit 1962 nicht mehr. Das Privatvermögen des Herrschers belief sich im Jahr 2011 auf geschätzte 20 Milliarden US-Dollar; sein Palast gilt als der größte Palast der Welt.[2] In den internationalen Beziehungen spielt Brunei unter anderem eine hervorgehobene Rolle, weil es der Dialog-Koordinator des südostasiatischen Staatenbundes ASEAN für die Beziehungen mit der Europäischen Union ist.[3] Unter anderem deshalb intensiviert Berlin seit einigen Jahren die Beziehungen mit dem autoritär regierten Staat.

Erste Geschäfte

Deutsche Unternehmen entwickelten Interesse an Geschäften mit Brunei, als die Regierung des Sultans Ende der 1980er Jahre begann, die heimische Wirtschaft zu diversifizieren. Das Land sollte nicht mehr ausschließlich vom Export von Erdgas und Erdöl abhängig sein. Nicht nur „die deutsche Botschaft“, sondern auch einige – wenige – „deutsche Geschäftsleute“ hatten Berichten zufolge damals „Zugang im Sultanat“.[4] Unter den westlichen Investoren habe „Deutschland einen ausgezeichneten Ruf“, schrieb die Frankfurter Allgemeine Zeitung 1992. Die Automobilkonzerne Daimler-Benz und BMW unterhielten damals bereits Werkstätten in der Hauptstadt Bandar Seri Begawan.[5] Die Lufthansa baute ein Flugzeug nach den persönlichen Wünschen des Sultans um und verkaufte es für geschätzte 150 Millionen US-Dollar.[6] Im Lauf der 1990er Jahre verlangsamte sich das Wirtschaftswachstum im Sultanat jedoch; die Asienkrise 1997/1998 traf das Land hart.[7]

Staatsbesuche und Orden

Auch wenn deutsche Unternehmen sich in den 1990er Jahren deshalb keine großen Aufträge sichern konnten, verbesserten sich die deutsch-bruneiischen Beziehungen. 1997 reiste der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) zu einem Staatsbesuch nach Brunei und schloss unter anderem ein Investitionsförderungsabkommen ab.[8] Bei seinem Gegenbesuch im März 1998 zeichnete der damalige Bundespräsident Roman Herzog (CDU) Sultan Bolkiah mit dem Bundesverdienstkreuz aus.[9] Bruneis Staatsoberhaupt kam zu weiteren Staatsbesuchen 2002 und 2011 nach Deutschland; der Kronprinz hielt sich zur Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in der Bundesrepublik auf. Bei der deutschen Botschaft in Bandar Seri Begawan heißt es, die Beziehungen hätten sich in dieser Zeit spürbar vertieft.[10] Deutsche Konzerne wiederum konnten sich damals diverse Großaufträge sichern.

Enge Wirtschaftsbeziehungen

Seit Beginn des Jahrtausends pflegen Deutschland und Brunei tatsächlich recht enge wirtschaftliche Beziehungen. Deutsche Konzerne exportieren vor allem Autos und Maschinen in das Sultanat, die dann teilweise wieder re-exportiert werden.[11] Insgesamt ist die Bundesrepublik der fünftgrößte Lieferant des Sultanats. Im Jahr 2000 gründete die HeidelbergCement Group mit einem zunächst 50-, später 70-prozentigen Anteil ein Joint-Venture mit einer bruneiischen Firma zur Zementproduktion.[12] Das Tochterunternehmen ist der einzige Zementhersteller des kleinen südostasiatischen Landes.[13] Im Bereich des Gesundheitswesens gab es 2013 ein „Memorandum of Understanding“ zwischen den jeweiligen Ministerien Bruneis und Deutschlands: Bei der Reform des bruneiischen Gesundheitswesens gilt Deutschland als Vorbild; deutsche Berater halten sich dauerhaft in dem Sultanat auf.[14]

Großaufträge

Vor allem in den vergangenen beiden Jahren konnten sich deutsche Konzerne Großaufträge in Brunei sichern. Im August 2017 unterzeichneten Vertreter von ThyssenKrupp Industrial Solutions (TKIS) und der staatlichen bruneiischen Firma Brunei Fertilizer Industries einen Vertrag über den Bau einer Düngemittelfabrik. Die Fabrik kostet insgesamt 1,8 Milliarden US-Dollar; laut TKIS handelt es sich um eine der größten Düngemittelfabriken in Asien, die unter Mitwirkung des Konzerns errichtet werden.[15] Im Februar dieses Jahres wurde zudem bekannt, dass Detecon, eine Tochtergesellschaft der Deutschen Telekom, den Telekommunikationssektor des Sultanats komplett neu strukturieren wird. Über den Umfang des Vertrags gibt es öffentlich keine Aussagen.[16]

Rüstungsexporte

Auch deutsche Waffenschmieden kommen in Brunei immer wieder zum Zug. Noch unter britischer Protektoratsherrschaft kaufte die bruneiische Luftwaffe im Jahr 1981 Hubschrauber der damaligen Firma Messerschmitt-Bölkow-Blohm (MBB), der größten Rüstungsexportfirma der Bundesrepublik Deutschland. MBB ging 1989 in der DASA auf, die seit dem Jahr 2000 ein Teil der Airbus Group ist. Von den MBB-Helikoptern des Typs Bo-105 sind bis heute sechs aktiv im Einsatz. Vor allem in diesem Jahrzehnt konnten deutsche Rüstungskonzerne an die alten Verbindungen nach Brunei anknüpfen: Im Jahr 2012 gab es die erste genehmigte Ausfuhr von Kleinwaffen in das Sultanat, das bereits vier Jahre später zu den Hauptempfa?ngerländern von Kleinwaffenmunition deutscher Rüstungsproduzenten außerhalb der NATO zählte.[17]

Konflikte im Südchinesischen Meer

Deutsche Rüstungsgüter stehen dem Sultanat auch zur Verfügung, sollte es einmal zu Konflikten im Südchinesischen Meer mit der Volksrepublik China kommen. Seit 1983 beansprucht Brunei mit dem Korallenatoll Louisa Reef einen Teil der Spratly-Inseln im Südchinesischen Meer; dadurch bestehen seit längerem Konflikte mit der Volksrepublik China, aber auch mit dem Nachbarland Malaysia – beide erheben Ansprüche auf dasselbe Gebiet.[18] Zur Verteidigung seiner Ansprüche kann das Sultanat seit 2011 auf Hochseepatrouillenboote der Darussalam-Klasse (Typ OPV 80) zurückgreifen, die von der Bremer Lürssen-Werft hergestellt wurden. Bei ihnen handelt es sich um die größten Schiffe der Royal Brunei Navy. Hinzu kommen noch vier ebenfalls in Deutschland gebaute Küstenpatrouillenboote des Typs FPB 41. Mit den in Deutschland hergestellten Hochseepatrouillenbooten nahm die Royal Brunei Navy im Jahr 2014 auch erstmals am US-geführten Manöver RIMPAC im Pazifik teil [19], in das seit 2016 auch die deutsche Marine einbezogen ist.

Erste Militärbeziehungen

Enge Beziehungen pflegt Brunei vor allem mit Singapur, einem Schlüsselpartner Deutschlands in Südostasien. Die Währungen beider Länder sind aneinander gekoppelt und können mit einem Eins-zu-eins-Kurs in beiden Ländern genutzt werden.[20] Singapurs Militär übt unter anderem im Dschungel von Brunei für mögliche Auslandseinsätze.[21] Über die deutsche Kooperation mit dem autoritär regierten Stadtstaat Singapur gab es 2014 auch erste Kontakte mit bruneiischen Offizieren, wobei die deutsch-bruneiische Militärkooperation noch als ausbaufähig gilt.[22]

[1] Jatswan S. Sidhu: Historical Dictionary of Brunei Darussalam, Lanham 2016.

[2] Jack Linshi: These Are the 10 Richest Royals in the World, time.com 01.06.2015.

[3] Pushpa Thambipillai: Brunei – Making Progress Slowly, in: Southeast Asian Affairs, Jg. 38 (2012), S. 89-100 (hier: S. 96).

[4] Peter Seidlitz: Paradies für Bankiers und Asiens Vermögensverwalter. Handelsblatt 06.12.1989.

[5] Das Erdöl-Sultanat Brunei will diversifizieren. Frankfurter Allgemeine Zeitung 13.10.1992.

[6] Rudolf Metzler: Jumbo-Blitztransfer nach Brunei. Süddeutsche Zeitung, 06.05.1992. Geheimsache Brunei. Hamburger Morgenpost 17.06.1992.

[7] Kwabena A. Anaman/Lujaina H. S. Al-Kharusi: An Analysis of Trade Flows between Brunei Darussalam and the European Union, in: ASEAN Economic Bulletin, Jg. 20 (2003), Nr. 1, S. 60–72 (hier: S. 60).

[8] Matthias Matussek: Schwitzen für Deutschland. Der Spiegel 19/1997, 05.05.1997.

[9] Markus Kowalski: Staatsminister: „Brunei verlässt Kreis zivilisierter Staaten“. queer.de 29.03.2019.

[10] Deutschland und Brunei Darussalam: Bilaterale Beziehungen. bandar-seri-begawan.diplo.de 28.02.2019.

[11] Anaman/Al-Kharusi: An Analysis of Trade Flows between Brunei Darussalam and the European Union, S. 65.

[12] Brunei. heidelbergcement.com [ohne Datum].

[13] David Hargreaves (Hg.): Global Cement Report, Dorking 2005, S. 70.

[14] Brunei baut Gesundheitssektor aus. gtai.de 26.08.2015.

[15] Azli Azney: $1.8 billion fertiliser plant in Sg Liang to be completed by 2021. bizbrunei.com 03.08.2018.

[16] Brunei’s telecom infrastructure placed under new firm. xinhuanet.com 27.02.2019.

[17] Ru?stungsexportbericht 2013 der GKKE, Berlin 2013, S. 48. Ru?stungsexportbericht 2017 der GKKE, Berlin 2017, S. 60.

[18] Daniel J. Dzurek: The Spratly Islands Dispute: Who’s on First?, Durham 1996, S. 45.

[19] Paul Pryce: RIMPAC: China, Brunei In, Russia Out. maritime-executive.com 27.06.2014. Zu RIMPAC s. auch Kriegsübungen im Pazifik und Kriegsspiele im Pazifik.

[20] Rachael Boon: Use of Brunei dollar in Singapore well accepted based on notes and coins deposited with MAS. straitstimes.com 02.07.2017.

[21] Prashanth Parameswaran: Singapore-Brunei Defense Ties in Focus with Army Exercise. thediplomat.com 30.01.2019.

[22] Sebastian Sauer/Benedict Warkus: The Republic of Singapore Navy – Navigation und Minenjagd am A?quator, in: Die Einsatzflotille 1 von Oktober 2013 bis September 2014, München 2015, S. 66–69 (hier: S. 68).

Erschienen in: german-foreign-policy.com, 03.04.2019.

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