»Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht.« — Václav Havel
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David X. Noack

Kritische Perspektiven auf Geschichte und internationale Politik

Starke Präsenz, wenig Geschäfte

Trotz umfangreicher politischer Bemühungen um Einfluss in der Mongolei fällt Berlin im Kampf um Zugriff auf die Rohstoffe des Landes hoffnungslos hinter China zurück. Seit den frühen 1990er Jahren hat die Bundesrepublik sich bemüht, über parteinahe Stiftungen und über entwicklungspolitische Organisationen ihre Stellung in Ulan Bator systematisch zu stärken. Das Interesse an der Mongolei galt einerseits der strategischen Lage des Landes zwischen den beiden Mächten Russland und China, andererseits seinen überaus reichhaltigen Ressourcen. Die deutsche Einflussarbeit hat stets auch Militärkooperation umfasst; zudem sind mongolische Soldaten in Afghanistan an der Seite der Bundeswehr im Einsatz. Dennoch hat sich die systematische Einflussarbeit nicht in ökonomische Erfolge umgesetzt: Mit einem Wert von gerade einmal 13,8 Millionen Euro waren die deutschen Importe aus dem Rohstoffland zuletzt vernachlässigbar. 79 Prozent aller mongolischen Ausfuhren gingen stattdessen nach China.

Sanfter Umsturz

Die deutsche Einflussarbeit in der Mongolei hat bereits in den frühen 1990er Jahren begonnen. 1989 und 1990 zogen die sowjetischen Truppen aus dem Land ab; Moskau stellte seine Finanzhilfen für seit 1921 bestehende die Mongolische Volksrepublik ein. Es kam zu Demonstrationen, Streiks und Hungerstreiks von Oppositionellen; die Regierung ließ eine neue Verfassung erarbeiten und beschloss den Übergang vom Realsozialismus in den Kapitalismus. Die seit 1921 regierende Mongolische Revolutionäre Volkspartei (MRVP) sagte sich vom Sozialismus los, blieb aber weiter an der Macht: Sie gewann die ersten freien Wahlen im Jahr 1992 haushoch.

Ein Stiftungs-Eldorado

Noch im selben Jahr eröffnete die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) ein Büro in der Mongolei.[1] In den folgenden Jahren entwickelte sich das zentralasiatische Land, wie Beobachter schrieben, zu einem „Eldorado westlicher Nichtregierungsorganisationen wie der Konrad-Adenauer-Stiftung oder des International Republican Institute“, die sich der rechtsgerichteten, neoliberalen Opposition „annahmen“ und sie mit „der Effizienz des modernen Wahlkampfs vertraut machten“.[2] Das International Republican Institute (IRI) ist die parteinahe Stiftung der US-Republikaner. KAS und IRI gründeten unter anderem gemeinsam eine politische Akademie für oppositionelle Politiker.[3] Die CDU-nahe Stiftung finanzierte außerdem die Gründung eines Demographieinstituts, um die öffentliche Meinung des Landes besser durchleuchten zu können.[4]

An der Seite der USA

Über die Maßnahmen der KAS noch weit hinaus ging die Unterstützung des IRI für die mongolische Opposition. Dabei spielte das von der National Endowment for Democracy (NED) finanzierte IRI eine zentrale Rolle für die mongolische Opposition. Das NED vergab allein im Jahr 1996 mehr als 158.000 US-Dollar an das IRI für dessen Operationen in der Mongolei. Zum Vergleich: Den mongolischen Steuerzahler kostete der Wahlgang 2000 insgesamt nur umgerechnet 333.000 US-Dollar. IRI-Vorsitzender ist seit 1993 John McCain, der als außenpolitischer Hardliner mit starker antirussischer Orientierung gilt.[5]

Offizielle Beziehungen

Als die MRVP die Parlamentswahl 1996 verlor und die neoliberale Demokratische Unionskoalition (DUK) die Regierung übernahm, schienen Berlin und Washington am Ziel. Kurz nach dem DUK-Wahlsieg besuchte der damalige deutsche Außenminister Klaus Kinkel (FDP) das Land und lobte die wirtschaftliche Öffnung.[6] 1998 reiste auch Bundespräsident Roman Herzog (CDU) nach Ulan Bator und sprach sich für „besondere Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und der Mongolei“ aus. Die Offerten stießen auf offene Ohren: Die Mongolei schaue auf Deutschland als „unser[em] Fenster in die Europäische Union“, erklärte der mongolische Außenminister anlässlich Herzogs Besuch.[7] Im Jahr 1999 reiste dann die mongolische Außenministerin die BRD.[8] Im Jahr 2000 folgte der mongolische Präsident; die Mongolei präsentierte sich auf der Expo in Hannover.[9]

Kein Durchbruch

Neben der KAS richtete auch die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung ein Büro in der Mongolei ein. Darüber hinaus eröffneten die offiziöse Carl-Duisberg-Gesellschaft, die Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ, heute: Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit, giz) und die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe Repräsentanzen in dem Land. Doch trotz der breiten deutschen Präsenz und der nach dem Regierungswechsel erfolgten stärkeren Öffnung des ungemein rohstoffreichen Landes für ausländische Unternehmen blieben die deutschen Minen- und Unternehmensbeteiligungen verhältnismäßig mager. Eine deutliche Sprache spricht die Tatsache, dass in der Hauptstadt Ulan Bator lediglich ein deutsches Kasino und zwei deutsche Bierbrauereien Geschäfte machten.[10] Der Siemens-Konzern übernahm immerhin die elektronische Vernetzung der Finanzämter des Landes.[11]

Militärhilfe

Zur deutschen Präsenz gesellte sich bald auch deutsche Militärhilfe hinzu. Noch während der Regierungszeit der sozialdemokratischen MRVP schenkte die Bundeswehr der mongolischen Armee Kampfanzüge aus Beständen der ehemaligen Nationalen Volksarmee der DDR.[12] Die guten militärischen Beziehungen setzen sich bis in die Gegenwart fort. Ab dem Jahr 2010 stellte die mongolische Armee Soldaten für den ISAF-Einsatz in Afghanistan zur Verfügung – im Regionalkommando Nord, in dem die Bundeswehr das Sagen hatte.[13] Zur Ausbildung der mongolischen Militärs entsandte die deutsche Armee von 2011 bis 2013 jährlich 40 bis 45 Soldaten in das strategisch interessant zwischen Russland und China gelegene Land; es war damals der größte Ausbildungseinsatz der Bundeswehr ohne Mandat des Bundestags.[14] Mongolische Soldaten beteiligen sich bis heute an der ISAF-Folgemission „Resolute Support“. Derzeit sind 120 mongolische Soldaten in Nordafghanistan stationiert.

Zu spät gekommen

Die Bedingungen für deutsche Konzerne schienen in den späten 1990er Jahren in der Mongolei ideal: Das Land hatte eines der am weitesten liberalisierten Außenhandelsregime überhaupt.[15] Doch die Unternehmen aus der Bundesrepublik verpassten den Schritt in den mongolischen Bergbau, und neben einheimischen Unternehmensgruppen konnten vor allem kanadische (Centerra Gold, Mogul Ventures Corp, Ivanhoe Mines), russische und japanische Konzerne die Mehrheit an vielen mongolischen Minen übernehmen. Um den deutschen Rückstand aufzuholen, griff die Bundesregierung in den vergangenen Jahren zu neuen Fördermaßnahmen. Im Jahr 2011 schloss sie eigens eine „Rohstoffpartnerschaft“ mit Ulan Bator ab. Im September 2014 einigten sich Vertreter der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe und der mongolischen Behörde für mineralische Rohstoffe auf ein gemeinsames Projekt zur „rohstoffwirtschaftlichen Kapazitätenförderung“ der Behörde.[16] Darüber hinaus sagte die Bundesrepublik im Dezember 2015 einen Kredit in Höhe von 745 Millionen US-Dollar zur Entwicklung des Tsagaan-Suvarga-Minenkomplexes zu.[17] Dieser steht auf einer Liste strategischer Minen, die die Regierung der Mongolei im selben Jahr erstellt hatte.

Haushoch verloren

Trotz aller Fördermaßnahmen bleiben Erfolge aus. Deutschland bezog im Jahr 2016 Waren im Wert von 13,8 Millionen Euro aus der Mongolei – ein vernachlässigbarer Betrag. „Außer Darlehen und Entwicklungshilfe“ seien die Wirtschaftsbeziehungen nicht erwähnenswert, urteilte der mongolische Präsident Khaltmaa Battulga kürzlich gegenüber dem deutschen Botschafter in Ulan Bator.[18] Tatsächlich gehen 79 Prozent der mongolischen Exporte nach China, das auch wichtigster Lieferant des Landes ist und seine Position mit dem Ausbau der Neuen Seidenstraße („One Belt, One Road“, OBOR) weiter stärkt. Zumindest vorläufig hat Berlin den Einflusskampf um die Mongolei, was die Wirtschaftsbeziehungen angeht, haushoch verloren.

[1] Verena Fritz: Soziale Härten bremsen die mongolischen Reformer. Frankfurter Allgemeine Zeitung 17.10.1997.
[2] Rentrée der Kommunisten in der Mongolei? Neue Zürcher Zeitung 30.06.2000.
[3] Morris Rossabi: Mongolia: Transmogrification of a Communist Party, in: Pacific Affairs, Jg. 82 (2009), Nr. 2, S. 231–250 (hier: S. 238).
[4] Werner Prohl/Peter Staisch: Dschingis Khan la?chelt – Die Mongolei auf dem Weg zur Demokratie, Bonn 1998, S. 48/49.
[5] Branko Marcetic: How Washington Hacked Mongolia’s Democracy. jacobinmag.com 29.11.2017.
[6] Kinkel würdigt Reformen in der Mongolei. Süddeutsche Zeitung 25.10.1996.
[7] Herzog sagt Mongolei Unterstützung zu. Süddeutsche Zeitung 22.09.1998.
[8] Werbung für die Mongolei. Frankfurter Allgemeine Zeitung 10.09.1999.
[9] Jens Eckhardt: Die Mongolei setzt auf Hilfe aus dem Westen. Handelsblatt 27.06.2000. Petra Kolonko: Dschingis Khan auf der Expo. Frankfurter Allgemeine Zeitung 14.07.2000.
[10] Dietmar Petersen: Dschingis Khans Erben werben um deutsche Investitionen. Handelsblatt 19.03.1998. O’zapft is in Ulan Bator. Süddeutsche Zeitung 26.10.1996.
[11] Dietmar Petersen: Dschingis Khans Erben werben um deutsche Investitionen. Handelsblatt 19.03.1998
[12] NVA-Uniformen für Mongolen und Kasachen. Süddeutsche Zeitung 11.01.1995.
[13] Relations with Mongolia. nato.int 21.03.2017.
[14] Ulrike Winkelmann: Bundestag kennt nicht alle Einsätze. taz.de 13.05.2014.
[15] Tom Ginsburg: Mongolia in 1997: Deepening Democracy, in: Asian Survey, Jg. 38 (1998), Nr. 1, S. 64-68 (hier: S. 66).
[16] Vertrag für BGR-Projekt in Mongolei unterzeichnet. georesources.net 14.09.2014.
[17] Ds Sukhbaatar: Germany to Issue 745 Million USD Loan Guarantee for Tsagaan Suvarga Project. bdsec.mn 07.12.2015.
[18] Mongolia, Germany discuss ties. akipress.com 26.10.2017.

Erschienen auf german-foreign-policy.com, 10.01.2018.
Artikel bei GFP erscheinen im Rahmen einer Redaktionsarbeit und sind nicht als Autorenartikel zu sehen.

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