»Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht.« — Václav Havel
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David X. Noack

Kritische Perspektiven auf Geschichte und internationale Politik

Zurück zum Satellitenstaat

Slowakei: Banská Bystrica wird künftig von einem Neofaschisten regiert

Der zentralslowakische Landkreis Banská Bystrica wird künftig von einem Neofaschisten regiert. Bei den Stichwahlen zu den politisch eher wenig einflußreichen Regionalpräsidenten konnte sich Marian Kotleba am Wochenende in der rund 200 Kilometer von der Hauptstadt Bratislava entfernten Region durchsetzen. Er ist Chef der »Volkspartei – Unsere Slowakei« (LSNS), dem politischen Arm der 1996 gegründeten und 2008 wegen Anstiftung zum Rassenhaß verbotenen »Slowakischen Gemeinschaft«. Daraufhin demonstrierten in der Stadt, die 1944 Zentrum des Slowakischen Nationalaufstandes gegen die Faschisten gewesen war, besorgte Bürger gegen das Erstarken der extremen Rechten und erinnerten an die antifaschistische Tradition von Banská Bystrica.

Kotleba, der als bekanntester Vertreter der »Slowakischen Gemeinschaft« gegolten hatte, gründete nach dem Verbot das Modelabel »KKK Mode«, das seine neofaschistische Klientel mit Pullovern und T-Shirts versorgte. Die drei Buchstaben sind eine Anlehnung an die US-amerikanische Rassistenorganisation »Ku Klux Klan«. Kurz nachdem das Verbot der »Slowakischen Gemeinschaft« 2009 aufgehoben wurde, gründete der frühere Lehrer die LSNS, um seine politischen Ziele wieder offen verfolgen zu können. Hauptsächlich tritt er dabei mit Parolen gegen Juden, Roma und Homosexuelle auf auf. Bei öffentlichen Auftritten kleiden sich seine Anhänger in Uniformen, die sich an die der Hlinka-Garde aus der Zeit des klerikalfaschistischen slowakischen Staates während des Zweiten Weltkriegs anlehnen. Kotleba und seine Partei sehen sich in der Tradition dieses damaligen Ständestaates und fordern eine Neuerrichtung des als Satellit Hitlerdeutschlands geltenden Regimes.

Über die »Europäische Nationale Front« (ENF) kooperierte Kotlebas »Slowakische Gemeinschaft« auch schon mit der deutschen NPD. 2004 war sie etwa Gastgeber für ein Treffen der verschiedenen Neonaziparteien Europas.

Das Ergebnis vom Wochenende, als sich Kotleba mit 55 Prozent gegen den sozialdemokratischen Amtsinhaber Vladimír Manka durchsetzen konnte, hat Politikwissenschaftler und Parteien überrascht. Immerhin hatte ein breites Bündnis, das von den wertkonservativen Christdemokraten bis zu den Sozialdemokraten der SMER reichte, Manka unterstützt, nur die Kommunistische Partei war nicht um Unterstützung gebeten worden. Das Ergebnis ist jedoch nicht repräsentativ für die gesamte Slowakei, da in der strukturschwachen Region Banská Bystrica lediglich 24 Prozent der Wahlberechtigten zu den Urnen gegangen sind, landesweit waren es sogar nur 17 Prozent. Bei den vorausgegangenen Kommunalwahlen hatte die Sozialdemokratie zudem eine absolute Mehrheit im Kreisparlament errungen, was den politischen Spielraum Kotlebas enorm einschränkt.

Die rechtsextreme Agitation der LSNS fußt in der Südslowakei auf der weitverbreiteten Perspektivlosigkeit der Menschen. Wichtige Unternehmen aus Banská Bystrica, etwa die Kran-, Eisenbahn- und Brückenbauindustrie, brachen in den 90er Jahren zusammen. Ihre Zerschlagung führte zu einer hohen Arbeitslosigkeit, die derzeit bei durchschnittlich etwa 20 Prozent liegt und in manchen Gebieten der Region auch 30 Prozent erreicht.

junge Welt, 28.11.2013

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