»Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht.« — Václav Havel
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David X. Noack

Kritische Perspektiven auf Geschichte und internationale Politik

»Viel reifer« in den Mainstream – Sozialdemokratische SMER gewinnt Wahlen in der Slowakei

 

Wahlplakat für Robert Fico zu den Parlamentswahlen in der Slowakei

Wahlplakat für Robert Fico zu den Parlamentswahlen in der Slowakei

Das Ergebnis der Parlamentswahlen in der Slowakei klärte sich erst in der Nacht zum Sonntag. Die ersten Prognosen hatten nur die linkssozialdemokratische SMER und die wertkonservative KDH klar in der Legislative gesehen, während mehrere andere Parteien lange knapp über oder unter der Fünf-Prozent-Hürde gesehen wurden. Erst am frühen Sonntag morgen wurde deutlich, daß die SMER die absolute Mehrheit gewonnen hat. 46,2 Prozent der Wählerstimmen und somit 83 Sitze im Nationalrat erhielt die Partei, die 1999 als Abspaltung von der zur So­zialdemokratie gewandelten ehemaligen KP entstanden war. Mit deutlichem Abstand folgte die KDH des früheren EU-Kommissars Ján Figel mit (8,82 Prozent und 16 Sitzen. Knapp dahinter wurden die »Ordentlichen Leute« (OL) des Erzkonservativen Igor Matovic drittstärkste Kraft. Sie erreichten 8,55 Prozent und ebenfalls 16 Sitze. Die Liste zeichnete sich nicht durch ein konkretes Wahlprogramm aus, sondern vereinte vielmehr mehrere Kleinparteien, darunter die Piraten. Außerdem im Parlament vertreten sind die gemäßigte Ungarnpartei Most-Híd, die bislang regierende liberalkonservative SDKÚ-DS von Noch-Ministerpräsidentin Iveta Radicová und die radikalneoliberale SaS, die zuletzt verstärkt durch Kontakte zur österreichischen Rechtspartei FPÖ aufgefallen ist. Ein bitterer Abend war es für die slowakischen Kommunisten, die nur noch auf 0,7 Prozent der Stimmen kamen. Offenbar mußten auch sie Stimmen an die SMER abgeben.

Für Aufsehen sorgte am Wahlwochenende eine Einmischung aus dem südlichen Nachbarland: Das ungarische Staatsfernsehen strahlte zur besten Sendezeit eine Sendung mit dem Namen »Felvidék« aus. Dies ist der ungarische Name für die frühere Provinz »Oberungarn«, die bis zum Ersten Weltkrieg große Teile der heutigen Slowakei umfaßt hatte. In der Sendung rief der Staatssekretär für Äußeres der nationalkonservativen Regierung in Budapest, Zsolt Németh, die ungarischen Slowaken auf, die zweite Minderheitenpartei SMK zu wählen. Diese ist zwar genauso neoliberal wie die Most-Híd, tritt in Fragen der magyarischen Minderheit jedoch nationalistischer auf. Der Aufruf fruchtete nicht, die Partei schaffte die Prozenthürde nicht. Trotzdem verurteilte der Vorsitzende der Nationalpartei, Ján Slota, die Ausstrahlung des Fernsehens aus Budapest als »internationale Aggression«. Doch auch seine Partei, die regelmäßig mit ungarnfeindlichen Tiraden auffällt, schaffte den Wiedereinzug ins Parlament nicht.

Als Signal nach Brüssel bekannte sich Wahlsieger Robert Fico, der bereits von 2006 bis 2010 Ministerpräsident gewesen war, zur Haushaltskonsolidierung: »Die Europäische Union kann sich auf die SMER verlassen!« Die Mitgliedspartei der europäischen Sozialdemokraten hatte bereits der Verankerung einer Schuldenbremse in der Verfassung zugestimmt. Wie trotzdem die sozialpolitischen Wahlversprechen umgesetzt werden sollen, die der SMER die absolute Mehrheit gebracht haben, bleibt derweil unklar. Als zentrales Ziel seiner zweiten Amtszeit hat Fico die Abschaffung des einheitlichen Steuersatzes von 19 Prozent angekündigt. Für Besserverdienende soll der Steuersatz jedoch nur moderat auf 25 Prozent und für Konzerne auf 22 Prozent steigen. Außerdem wolle die SMER zu einer »gesunden« Regulierungspolitik für Energie- und Nahrungsmittelpreise zurückkehren, kündigte Fico an.

Nachdem die Regierung Radicová die Preisregulierung der ersten Fico-Administration zurückgenommen hatte, waren die Kosten für Nahrungsmittel explodiert. In der Folge mußte die Regierung Mehl und Teigwaren kostenlos an Bedürftige verteilen. Wie schon beim seinem ersten Amtsantritt 2006 will Fico nun alle Privatisierungen stoppen. Davon betroffen sind unter anderem der Verkauf des Flughafens von Bratislava, aber auch verschiedener Kraftwerke. Ob international wieder »enge Beziehungen zu Kuba, Weißrußland und Rußland« geknüpft werden, wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung munkelt, ist offen. Der österreichische SPÖ-Politiker Hans Swoboda hatte gesagt, Fico sei ein »viel reiferer Politiker« geworden, und damit eine Annäherung an den Mainstream der europäischen Sozialdemokraten angedeutet.

junge Welt, 12.03.2012

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