Allende war Teil einer größeren Bewegung
In Peru und Bolivien kamen in den 1960er und 1970er Jahren linke Militärs an die Macht – und wurden gestürzt
Jüngst wurde bekannt, dass der ehemalige SS-Hauptsturmführer und als „Schlächter von Lyon“ berüchtigte Kriegsverbrecher Klaus Barbie die rechtsextreme Diktatur von Hugo Banzer in Bolivien mit Waffen versorgte. Die Unterstützung von CIA und BND für rechtsextreme Regierungen in Lateinamerika kam nicht von ungefähr, sondern war Teil einer größeren Kampagne, um die Bewegung einiger lateinamerikanischer Staaten zur Emanzipation von den Großmächten zu zerstören.
Vielen Linken ist die Regierung Salvador Allendes in Chile bekannt. Nicht sehr weit verbreitet ist hingegen, dass Allende nur eine von damals drei linken Regierungen im Südwesten Lateinamerikas bildete, welche Washington ein Dorn im Auge waren. So regierte von 1968 bis 1975 in Peru eine „Revolutionäre Regierung“ und vom Herbst 1970 bis Sommer 1971 in Bolivien eine weitere linke Regierung.
Die „revolutionäre Regierung“ Juan Velasco Alvarados in Peru
Im Jahr 1968 gelang in Peru nach sozialen Unruhen der linke General Juan Velasco Alvarado durch einen unblutigen Putsch an die Macht. Velasco bekannte sich zu einem „dritten Weg“ als Mittelweg zwischen Kapitalismus und Sozialismus. Durch Reformen in der Landwirtschaft, der Industrie, der Erziehung und der Verwaltung des Landes sollte Peru modernisiert werden. Die „Revolutionäre Regierung“ forcierte die Industrialisierung des Landes, um die Abhängigkeit vom Weltmarkt zu verringern. Peruaner sollten fortan peruanische Produkte konsumieren.1
Bereits die zivile Regierung Fernando Belaúnde Terry (1963-1968) hatte die amerikanische Standard Oil verstaatlichen wollen und gelang deswegen in Opposition zu den USA. Nach Ansätzen einer Landreform strichen die Vereinigten Staaten die Entwicklungshilfe. Außerdem verkaufte Washington keine Waffen mehr an Peru. Das konnte Lima vorerst durch Käufe im Frankreich von Charles de Gaulle kompensieren.2 Unter Alvarodo entstand eine breite Volksbewegung unter Einbeziehung von Gewerkschaften, Barrio-Bewegungen und Bauernverbänden. Der Grad der Industrialisierung des Landes konnte genau wie die Einkommen der normalen Bevölkerung gehoben werden. Unter Velasco wurden so viele Gewerkschaften in Peru anerkannt wie in der gesamten Geschichte des Landes bis dato nicht.3
Nach einem Erdbeben 1969 entsandte die UdSSR Transportflugzeuge des Typs An-22 „Antej“ mit Nahrungsmitteln und Medikamenten. Die peruanische Regierung war beeindruckt, wie schnell die Sowjetunion die Hilfsgüter auf die andere Seite der Erde befördern konnte.4 Die Sowjetunion vergab auch Kredite an die „progressiven Militärs“.5 Im ersten Jahrfünft der 1970er Jahre gab die linke Militärregierung bis zu zwei Milliarden US-Dollar für sowjetische Waffen – Kampfpanzer, Kampfflugzeuge und Gewehre – aus. Velasco soll angeblich auch eine Invasion in Chile geplant haben, vor der 1975 Pinochet erschaudert sein soll. Nach wirtschaftlichen Krisenerscheinungen wurde Velasco durch einen Putsch im selben Jahr abgesetzt.
Bolivien: Von Alfredo Ovando Candía zu Juan José Torres
1969 kam Alfredo Ovando Candía in Bolivien als Militärdiktator an die Macht. Er besetzte einige Ministerposten mit bekannten linken Intellektuellen des Landes und verstaatlichte die amerikanische Gulf Oil Corporation. Die politische Gewalt eskalierte und radikale Linke und Rechte bekriegten sich zunehmend. Aus Angst vor rechten Militärs floh Ovando ins Ausland. Eine rechte Militärjunta übernahm die Amtsgeschäfte, konnte jedoch durch linke Militärs wieder abgesetzt werden. So wurde noch am gleichen Tag, aber mindestens vier „Präsidenten“ später der linke General Juan José Torres – ein ehemaliger Berater Ovandos – Staatschef. Der Spiegel berichtete damals, dass Torres durch „Arbeiter, Studenten und junge Militärs an die Macht getragen wurde“.6
Die Kräfte hinter Torres – genannt die „prekäre Allianz“ – bestand vor allem aus der Gewerkschaft COB und jungen Militärs. Vertreter der COB erhielten die Hälfte der Ministerposten. Torres verstaatlichte weitere amerikanische Konzerne und verwies das zivile Peace Corps des Landes. Die Löhne der bolivianischen Minenarbeiter wurden erhöht. Im Mai 1971 wurde eine Volksversammlung („Aseamblea Popular“) als dauerhaft tagender Rätekongress einberufen. Torres forderte aufgrund der angespannten Situation die Einrichtung einer bewaffneten Volksmacht, dieses Gesuch wurde aber vom Rätekongress abgelehnt.7
Hatte Ovando noch als erster bolivianischer Staatschef Beziehungen zur UdSSR aufgenommen, erhielt die Regierung von Torres bereits Kredite aus Moskau. Unter General Torres radikalisierte sich die Linke und die Aseamblea Popular beanspruchte immer mehr Macht im Staat. Der rechte General Banzer konnte die Rechten, die Großgrundbesitzer und Unternehmer hinter sich einigen und mit brasilianischer und amerikanischer Unterstützung an die Macht putschen.8 Torres floh nach Peru, wo noch General Velasco regierte. 1976 wurde der linke General im Rahmen der Operation Condor entführt und ermordet.
Nach dem von der CIA angeleiteten Sturz Salvador Allendes fiel mit Torres ein zweiter linker Staatschef in der Region. Erneut hatte Washington seine Finger im Spiel. Durch das Aufrüsten von rechten Generalen wie Pinochet und Banzer sollten die revolutionären Bewegungen und Emanzipationsbestrebungen in den Ländern Lateinamerikas im Rahmen eines Roll-Backs bekämpft werden.
[1] Franz Marcus: Kirche und Gewalt in Peru – Befreiende Pastoral am Beispiel eines Elendsviertels in Lima, Münster 1998, S. 28-31.
[2] Kees van der Pijl: Global Rivalries from Cold War to Iraq, New Delhi 2006, S. 182.
[3] Marcus: Kirche und Gewalt in Peru.
[4] Ilja Kramnik: Russland fasst Fuß in Lateinamerika: Ein Überblick, RIA Novosti 9. Mai 2008.
[5] Eusebio Mujal-León: The USSR and Latin America – A Developing Relationship, London 1989, S. 245.
[6] Faustkampf der Sieger, DER SPIEGEL 30.08.1971.
[7] Thomas Pampuch/Agustín Echalar Ascarrunz: Bolivien, München 2009, S. 71/72.
[8] Stefan Jost: Bolivien – Politisches System und Reformprozess 1993-1997, Wiesbaden 2003, S. 105-107.
amerika21.de, 25.01.2011