»Fico ist der am weitesten links stehende Premier Europas«
Gespräch mit Luboš Blaha. Über die vergangene Wahlperiode in der Slowakei, Naserümpfen in Berlin über die anti-neoliberale Regierung in Bratislava und linke Prioritäten in der Politik
Dr. Luboš Blaha (30) ist Philosoph und arbeitet in Bratislava. Er ist Autor der Bücher „»Soziale Gerechtigkeit und Identität« (2006) und »Zurück zu Marx?« (2009). Bei den slowakischen Parlamentswahlen am 12. Juni tritt er als Kandidat der sozialdemokratischen SMER-SD an
Vor vier Jahren waren Sie Mitglied der Kommunistischen Partei der Slowakei (KSS), nun treten Sie für die sozialdemokratische SMER an. Warum haben Sie die KSS verlassen?
Ich war eigentlich nie Mitglied einer Partei, weder der KSS noch der SMER. Ich bin ein unabhängiger junger linker Intellektueller, der mit slowakischen linken Parteien kooperiert. Für die KSS arbeitete ich als Außenpolitikexperte. Bei den Wahlen 2006 flog die KSS aus dem Parlament, und ich mußte meinen Job aufgeben. Pavol Paška, der Präsident des Nationalrats, bot mir daraufhin eine Stelle an und seitdem bin ich Berater und Redenschreiber in seinem Büro. Mittlerweile ist die KSS eine Ein-Prozent-Partei, und die SMER wurde zur einzigen linken Alternative in der Slowakei – mit Wahlergebnissen von bis zu 35 Prozent. Ich bin weiter in Kontakt mit meinen Genossen von der KSS – inklusive Jozef Hrdlika, dem Parteivorsitzenden –, aber die KSS hat derzeit keine Chance, in das Parlament einzuziehen. Sie müssen auf bessere Zeiten warten und ich bin sicher, daß die kommen werden. Trotz alledem versuche ich als Kandidat der SMER, einige radikale linke Ideen zu präsentieren wie z.B. Demokratisierung der Wirtschaft oder eine bedarfssichernde Grundsicherung. Ich weiß, daß es schwer sein wird, die slowakische Politik weiter nach links zu verschieben, sehe aber keine Alternative als diesen Weg.
In einem jW-Interview sagten Sie 2007, daß die derzeit regierende Koalition für die Slowakei ein Schwenk nach links sein werde. Hat sich das bewahrheitet?
Ich glaube schon. Als erstes muß gesagt werden, daß die von 1999 bis 2006 regierende rechte Koalition von Mikuláš Dzurinda extrem neoliberal war. Vor allem in der Zeit von 2002 bis 2006 hat sie praktisch alle neoliberalen Reformen, die man sich vorstellen kann, durchgesetzt. So wurde z.B. nahezu das gesamte öffentliche Eigentum privatisiert, eine »flat tax« – ein einheitlicher Steuersatz auf alles – eingeführt, das Rentensystem halb privatisiert, Praxisgebühren etabliert und der Ausgleich zwischen Regierung, Gewerkschaften und Unternehmen an den Rand gedrängt. Darüber hinaus wurden Studiengebühren vorbereitet. Im Jahr 2006 kam dann die SMER durch eine Koalition mit der Bewegung für eine demokratische Slowakei HZDS von Ex-Premier Vladimir Meiar und mit der Slowakischen Nationalpartei SNS an die Macht. Sie stoppte alle Privatisierungen und verstaatlichte sogar strategisch wichtige Zweige der Ölindustrie. Es wurden Änderungen am Rentensystem vorgenommen, die Praxisgebühren abgeschafft, die Stellung von Gewerkschaften verbessert und Anstrengungen unternommen, einen typischen europäischen Sozialstaat zu etablieren. Premierminister Robert Fico hat das neoliberale Experiment in der Slowakei gestoppt und die Slowakei nach links verschoben.
2006 erklärte der ehemalige Berater von Meiar, Augustín Húska, daß die Handlungsmöglichkeiten einer slowakischen Regierung sehr eingeschränkt seien, da das strategische Potential des Landes sich in der Hand von ausländischem Kapital befinde. Wollte Fico etwas an dieser Situation ändern? Er hat immerhin E.on mit Verstaatlichung gedroht.
Húska hat natürlich recht, seine These gilt aber für viele Länder – man nennt das Globalisierung. Dennoch hat Fico versucht, die Energiemonopole zu bekämpfen, und das ziemlich erfolgreich, wenn man sich z.B. die Energiepreise für die einfachen Leute anschaut. Darüber hinaus befürworte ich sehr, daß die Fico-Regierung Profite im Gesundheitssystem verboten hat. Das hat die Unternehmen im Gesundheitssystem natürlich sehr aufgeregt. Sowas ist natürlich in einem kleinen Land im globalisierten Kapitalismus sehr schwierig.
Die deutsche Bundeszentrale für politische Bildung hat erklärt, daß die globale Finanzkrise auf die Slowakei nicht denselben Einfluß hat wie auf andere osteuropäische Staaten. Liegt das an den Einschränkungen für transnationales Finanzkapital?
Der Slowakei wurde von der EU für die nächsten Jahre das stärkste Wirtschaftswachstum vorhergesagt. Die Fico-Regierung hat auf die Krise sehr besonnen reagiert. Wenn die Slowakei gut durch die Krise kommt, ist das nicht dem transnationalen Kapital geschuldet, sondern den vielen öffentlichen Investitionen, z.B. dem Autobahnbau. Das ist der große Unterschied zwischen rechter und linker Krisenbekämpfung. Die rechten Parteien beharren auf Lösungen durch den freien Markt und private Firmen, die Sozialdemokratie konzentriert sich auf den öffentlichen Sektor und Staatsinvestitionen, wie z.B. in Schweden in den 1930er Jahren. Dieser Weg war erfolgreicher. Schweden war damals ein landwirtschaftlich geprägtes Land, aber nach der Krise von 1929 investierte die sozialdemokratische Regierung in den öffentlichen Sektor, den Sozialstaat und die Bildung. Daraufhin wurde Schweden eine der erfolgreichsten Wohlfahrtsgesellschaften in der Welt. Auf diesem Weg ist die Slowakei gerade.
Sie sind also ein radikaler Linker in einer Regierungspartei. Ist das kein Widerspruch?
Um den Neoliberalismus in der Slowakei – und dieser ist noch sehr stark – zu stoppen, gibt es für einen radikalen Linken keine andere praktische Alternative. Außerhalb der Politik könnte ich jede Regierung kritisieren, aber so habe ich die Chance, die Richtung mitzubestimmen. Karl Marx hat schon gesagt, daß es nicht unser Ziel ist, die Welt zu erklären, sondern sie zu verändern. Genauer gesagt: In der Politik habe ich den Raum, meine Ideen der Gesellschaft näherzubringen und jede Bewegung hin zur Stärkung eines Sozialstaats zu unterstützen. Die Sozialdemokratie ist der Weg und nicht das Ziel. Hätten Sie die neoliberale Periode von 2002 bis 2006 erlebt, dann würden Sie jeden Schwenk nach links unterstützen. In diesem Kontext bin ich froh, Teil einer regierenden Sozialdemokratie zu sein, auch wenn ich mir mehr radikal linke Reformen wünschen würde.
In welcher Weise ist der deutsche Imperialismus mit dem ungarischen Irredentismus, dem Bestreben, alle Ungarnstämmigen in einem Staat zu vereinen, verbunden? Die von deutscher Seite mit Steuergeldern finanzierte Südtiroler Volkspartei unterstützte immerhin in den 1990er Jahren die Vorläufer der slowakischen Partei der Ungarischen Koalition (SMK).
Das ist eine interessante Verbindung, die ich so noch nicht gesehen habe. Jedenfalls ist der ungarische Nationalismus ein großes Problem für die Slowakei. Dies gilt vor allem jetzt, da der Nationalist Viktor Orbán mit Rückendeckung der faschistischen Partei Jobbik an der Macht ist. Die Ungarn haben nie den Vertrag von Trianon von 1920 (dieser in einem Versailler Schloß bei Paris unterzeichnete Vertrag beendete den Ersten Weltkrieg für Ungarn. Das Land verlor dadurch zwei Drittel seines ehemaligen Territoriums. – D.N.) verkraftet. Der chauvinistische Traum von einem Groß-Ungarn ist sehr gefährlich für ganz Europa, vor allem in einer ökonomischen Krise. Wir können uns alle an Hitler erinnern, der sich die wirtschaftlichen Probleme zunutze machen konnte. Diese Geschichte wiederholt sich nun im ökonomisch ruinierten Ungarn, und die Slowakei muß sich verteidigen.
Normalerweise haben die Bürger der ungarischen Minderheit in der Slowakei keine Probleme mit Slowaken, nur die Politiker der SMK sind manchmal zu militant. Allerdings hat sich die politische Vertretung der slowakischen Ungarn jüngst gespalten. Neben der SMK gibt es nun die etwas liberalere Most-Híd-Partei. Das kann aber nicht davon ablenken, daß beide – SMK und Most-Híd – konservativ sind. Vielleicht werden beide Parteien in den Wahlen nun verlieren – mal sehen. Ich würde es begrüßen, da ich militanten Nationalismus ablehne, egal ob in Deutschland, der Slowakei, Ungarn oder irgendwo anders.
Im Jahr 2002 hat der deutsche Staatsminister im Auswärtigen Amt Christoph Zöpel erklärt, daß Ungarn eine besondere »geopolitische« Rolle bei der »Neuordnung« Südosteuropas zukomme …
… und nun wendet sich das Interesse Ungarns nach Norden. Das ist schrecklich. Ich habe Angst vor dem neugeborenen Faschismus in Europa und speziell in Ungarn.
Sie haben vor kurzem ein Buch mit dem Titel »Zurück zu Marx?« veröffentlicht. Worum geht es in dem Werk?
»Zurück zu Marx?« ist mein zweites philosophisches Buch. Ich sollte noch erwähnen, daß ich als Politikwissenschaftler an der Slowakischen Akademie der Wissenschaften arbeite und lehre. In meinem Buch führe ich auf 530 Seiten in die sozial-liberalen und neo-marxistischen Theorien der Gerechtigkeit ein. Außerdem erläutere ich meine eigene Gerechtigkeitstheorie basierend auf einer Radikalisierung der Theorie des amerikanischen Philosophen John Rawls und dem Ersetzen von Marx‘ Kriterium der Arbeit, also Fähigkeiten und Talente, durch das Kriterium der »Arbeitheit«, darunter verstehe ich die wirklich eigene Leistung und den Willen zu arbeiten. In dem Buch gibt es Kapitel über Wirtschaftsdemokratie – ein Beispiel ist die baskische Genossenschaft Mondragón Corporación Cooperativa –, Modelle von Wohlfahrtsstaaten und über klassische linke Themen wie soziale Gerechtigkeit, positive Freiheit, öffentliches Eigentum und soziale Rechte. Ich habe das Buch im Herbst 2009 veröffentlicht und die erste Auflage mit 1000 Büchern war nach ein paar Monaten verkauft. Im vergangenen Dezember war es einer der Bestseller für mein Verlagshaus, da normalerweise in der Slowakei wissenschaftliche Bücher sich ungefähr einhundertmal verkaufen. Ich bin mir sicher, daß der Erfolg des Buches zeigt, daß viele Menschen in der Slowakei des Neoliberalismus und Antikommunismus überdrüssig sind. Karl Marx ist wieder im Spiel. Es gibt sogar Pläne, das Buch ins Russische zu übersetzen – ich hoffe, das geschieht bald.
Wie ordnen Sie die Meiar-Regierung der 1990er Jahre politisch ein?
Sie war ganz klar keine antiimperialistische Regierung in einem positiven Sinne, ich würde eher den Begriff isolationistisch benutzen. Ich kenne die Theorien, daß Meiars Slowakei nur deswegen isoliert wurde, weil sie sich nicht dem internationalen Kapital beugte. Es gibt viele Leute, die Meiar als eine Art Held sehen. Aber er hat nichts anderes gemacht, als das Volkseigentum für ein paar Kronen an einige slowakische Diebe anstatt an das transnationale Kapital zu verkaufen. Der Privatisierungsprozeß unter Meiar war eine Tragödie. Außerdem war er autoritär und streng konservativ. Ich bin glücklich, daß Meiar 1998 die Macht verlor. Die gesamte slowakische Linke lehnte seine Politik ab, aber wir hatten nicht geahnt, was danach kommen würde. Die neoliberale Ära Dzurinda war ein Sturz vom Regen in die Traufe.
Meciar hatte aber einen radikal linken Koalitionspartner, die Arbeiterassoziation der Slowakei (ZRS). Die Partei rühmt sich im Internet damit, wichtige Privatisierungen im Bereich von Gas, Energie, Telekommunikation, Banken und Versicherungen verhindert zu haben.
Das muß für einen ausländischen Beobachter sehr überraschend sein, aber die ZRS war nur eine Art Kasper in der damaligen Koalition. Es ist wahr, daß Meiar kein Neoliberaler war, aber er war in der Kulturpolitik sehr konservativ, in der Wirtschaft eher zentristisch mit einiger sozialer Rhetorik. Auf jeden Fall war er kein Linker, und die Privatisierungen waren eine Katastrophe. Das heißt nicht, daß die Privatisierungen unter Dzurinda besser waren – nein, im Gegenteil! – sie waren sogar noch schlimmer. Aber ich muß einräumen, daß strategische Industriebereiche unter Meiar – vielleicht auch dank der ZRS – nicht privatisiert wurden. Aber das war auch das Maximum, was diese heute tote Partei rausholen konnte.
In Berlin war offenbar niemand glücklich, als die Bildung der ersten Fico-Regierung 2006 bekanntgegeben wurde. Wie reagierte Deutschland damals?
Es kam zu Problemen mit der SMER in der Sozialdemokratischen Partei Europas (SPE), weil die europäischen »Sozialisten« – inklusive der Deutschen – die Koalitionspartei SNS nicht in der Regierung sehen wollten. Die SMER versuchte, die europäischen Partner davon zu überzeugen, daß die SNS keine extremistische Partei, sondern nur konservativ und patriotisch ist. Ich persönlich mag die HZDS und die SNS nicht – sie sind beide erzkonservativ. Aber es gab keine Alternative vor vier Jahren. Ich denke, daß die SMER-SNS-HZDS-Koalition ein geringeres Übel ist als die Hardcore-Neoliberalen und ungarischen Nationalisten, die von 2002 bis 2006 regierten. Diese Regierung war die einzige Chance, das zu beenden. Die große Mehrheit der Bevölkerung unterstützte dann auch diesen Weg. Ich bin sicher, daß niemand in Berlin darüber froh war.
Wie würden Sie die derzeitige Fico-Regierung beschreiben? Ist es eine antiimperialistische Regierung oder eine ganz normale sozialdemokratische?
Es ist eher eine normale sozialdemokratische, aber ich bin mir ziemlich sicher, daß Robert Fico der am weitesten links stehende Premier in Mitteleuropa ist, vielleicht sogar in ganz Europa, seine Rhetorik ist schon manchmal antiimperialistisch, und seine Außenpolitik ist nicht so blind pro-amerikanisch. Unter seiner Regierung wurden unsere Beziehungen zu Rußland, China und Vietnam verbessert, und Fico unterstützt auch symbolisch Kuba. Es ist schwer für ein kleines Land, revolutionäre Schritte zu machen, aber ich bin sicher, daß seine Regierung derzeit die beste für die Slowakei ist.
Als Fico ins Amt kam, kündigte er an, alle Privatisierungen zu stoppen. Gab es keine Privatisierungen seit 2006?
Nein, es gab keine Privatisierungen mehr im Bereich des strategischen Staatseigentums. Fico stoppte sogar im letzten Moment die Privatisierung des Flughafens von Bratislava, und es kam zu Verstaatlichungen: So wurde das slowakische Öltransportunternehmen Transpetrol verstaatlicht. Fico kämpfte mit den zuvor privatisierten Energiemonopolen und den mächtigen Pensionsverwaltern. Ich denke, in dieser Hinsicht ist seine Politik konsequent links, auch wenn ich mir mehr Schritte zur Demokratisierung der Wirtschaft, Belegschaftsbeteiligungen an privaten Konzernen und Raum für öffentliches und staatliches Eigentum wünschen würde.
Ist der Neoliberalismus in der Slowakei besiegt?
Die Wahlen am 12. Juni werden es zeigen, aber ich denke, daß der Hardcore-Weg, der von 2002 bis 2006 beschritten wurde, versperrt ist. Das heißt nicht, daß alles in der Slowakei richtig läuft. So würde ich mir z.B. sehr ein progressives Steuersystem wünschen. Um ehrlich zu sein, sind wir das einzige OECD-Land mit einer flat tax. Wir brauchen mehr Verteilungsgerechtigkeit in der Republik, aber zuerst müssen wir ein Wiedererstarken der Rechten verhindern!
Als Fico Premier wurde, erklärte Belarus, daß sich die belorussisch-slowakischen Beziehungen sehr gut entwickelten. Zu welchen Staaten verbesserten sich die Beziehungen außerdem?
Vor allem zu China, Vietnam, Rußland und Serbien…
…und auch Libyen und Syrien?
Ja, vor allem zu Libyen. Ich selber habe an Treffen des Parlamentspräsidenten mit politischen Führern aus Rußland, China und Vietnam teilgenommen. Außerdem darf man nicht vergessen, daß die Slowakei ihre Truppen aus dem Irak abgezogen hat. Allgemein kann man sagen, daß unser Land eine pragmatische Außenpolitik betreibt.
2006 wurde angekündigt, daß Fico nach Venezuela reisen würde, was er dann nicht getan hat. Wird der Besuch nachgeholt?
Ich hoffe und denke das. Damals wurde die Reise wegen einer Erkrankung Ficos abgesagt. Ich bin davon überzeugt, daß Fico bald Hugo Chávez treffen wird und vielleicht bin ich sogar selbst dabei.
Kritiker haben gesagt, daß Diplomaten im Außenministerium Fico überzeugt hätten, sich nicht mit Chávez zu treffen, da das den Status der Slowakei in der EU untergraben würde.
Davon habe ich noch nichts gehört. Aber ich möchte noch sagen, daß in Ficos Büro ein großes Poster von Che Guevara hängt. Bisher hat noch kein Außenminister versucht, ihn zu bewegen, das Poster abzuhängen, um »den Status in der EU zu verbessern«. Ich denke, daß Diplomatie eine Rolle spielt, aber ich bin fest davon überzeugt, daß Ficos politisches Handeln von einer starken linken Grundüberzeugung bestimmt wird.
2006 hat Mikuláš Sedlák, der Wirtschaftsberater von SNS-Chef Ján Slota, gesagt, daß die Wurzel der Probleme der Roma im Osten des Landes die Arbeitslosigkeit ist; jeder Roma benötige einen Arbeitsplatz. Hat die Regierung versucht, jedem Roma einen zu verschaffen?
Keine Regierung im Kapitalismus kann jedem einen Job geben, aber es gibt Anstrengungen, den Roma zu Arbeit zu verhelfen, z.B. mit Hilfe der sogenannten sozialen Unternehmen. Das sind öffentliche Firmen, die vor allem den Armen und Unausgebildeten Arbeit geben, vor allem den Roma. Aber es bleibt schwierig, private Firmen dazu zu bewegen, den Roma Arbeit zu geben. Der Staat hat zu wenig Einfluß in der Wirtschaft.
Wie ist der Status der Ruthenen in der Slowakei heute?
Die Ruthenen sind eine staatlich anerkannte nationale Minderheit in der Slowakei. Es gibt mit ihnen keine Probleme in der Gesellschaft. Sie genießen ihre Minderheitenrechte und scheinen ganz zufrieden damit zu sein. Die Ruthenen haben sogar die Fico-Regierung unterstützt, als Ungarn seinen Druck wegen des slowakischen Sprachengesetzes, wonach öffentlich nur slowakisch gesprochen werden darf, 2009 erhöht hat. Das hat die Kluft in den ungarisch-slowakischen Beziehungen vertieft, aber die Slowakei konnte diesen Streit gewinnen. Vielleicht ist das der Grund für Orbán, der Slowakei so zu schaden, wie er es in den vergangenen Wochen getan hat. Ich hoffe, daß die nationalistischen Drohungen vergehen und wir uns ganz auf die sozio-ökonomischen Belange konzentrieren können. Wenn es nach mir geht, dann sollten nicht die nationale Frage, sondern der demokratische Sozialismus, die Rechte der Arbeiter und die Klasseninteressen, Prioriät haben. Das habe ich auch schon geäußert, als ich für die KSS arbeitete, und das sage ich nun, da ich für die SMER arbeite. Ich werde diese Position auch in Zukunft vertreten. Ich glaube an die klassenlose Gesellschaft, und ich muß herausfinden, wie man am besten dafür kämpft. Vielleicht haben wir eines Tages in der Slowakei eine ähnliche Partei wie die deutsche Linke. Ich denke, alles ist noch am Anfang.
junge Welt, 12.06.2010 / Wochenendbeilage / Seite 1 (Beilage)