Unter deutscher Beteiligung hat die EU mit der Ausbildung somalischer Soldaten begonnen. 140 Militärs aus europäischen Staaten, rund ein Zehntel von ihnen Deutsche, bereiten 2.000 Offiziere und Unteroffiziere unter anderem auf den „Kampf im bebauten Gelände“ vor. Die Somalis sollen in Zukunft für ein vom Westen installiertes, aber bislang weitestgehend machtloses „Übergangsregime“ in Mogadischu Krieg führen. Ort der Trainingsmaßnahmen ist ein Lager in Uganda. Uganda unterstützt das Übergangsregime schon jetzt mit eigenen Soldaten, die unter dem Dach der Afrikanischen Union in Mogadischu stationiert sind – ebenfalls mit Unterstützung der EU. Die East African Community (EAC), eine Vereinigung fünf ostafrikanischer Staaten, der neben Uganda drei ehemalige deutsche Kolonien angehören, wird mit dem neuen Ausbildungsprojekt noch stärker als bisher in den Dienst der europäischen Afrikapolitik gestellt. Die Bundesregierung plant, für die Befriedung Somalias auch das EAC-Land Tansania zu nutzen, wo mit sogenannter deutscher Entwicklungshilfe ein neues EAC-Hauptquartier gebaut werden soll. In Tansania könnten mit deutscher Unterstützung somalische Polizisten ausgebildet werden, hieß es vor wenigen Wochen nach dem Aufenthalt zweier deutscher Minister im früheren „Deutsch-Ostafrika“.
Kampf in bebautem Gelände
An diesem Montag hat die EU offiziell mit der Ausbildung somalischer Soldaten begonnen. Wie das Auswärtige Amt mitteilt, sollen insgesamt 140 Militärs aus EU-Staaten, darunter 13 Deutsche, rund 2.000 Somalis trainieren. „Ausbildungsinhalte“ seien „Sanitäts- und Fernmeldewesen“, aber auch „Minenabwehr“ und „Kampf im bebauten Gelände“, erklärt das Auswärtige Amt.[1] Ort des Trainings ist derzeit Uganda, wohin die deutschen Soldaten ohne ein Bundestagsmandat entsandt werden. Sechs sind bereits vor Ort. Perspektivisch soll die Militärausbildung nach Somalia selbst verlegt werden. Bereits jetzt hat sie mit Schwierigkeiten zu kämpfen. In der Vergangenheit sind somalische Soldaten, die vom Westen geschult wurden, nach Abschluss der Maßnahmen häufig desertiert. Darüber hinaus hat die EU offenkundig sogar Schwierigkeiten, überhaupt Rekruten zu finden: Berichten aus Brüssel zufolge beginnt die Soldatenausbildung verspätet und zunächst nur mit 700 statt 1.000 Somalis.[2]
Operationsziel Somalia
Somalia ist schon seit Jahren Ziel direkter und indirekter westlicher Militärinterventionen.[3] Nach einem gescheiterten Einsatz im Namen der UNO zu Beginn der 1990er Jahre, an dem sich auch die Bundeswehr beteiligte, sind gegenwärtig westliche Kriegsschiffe, darunter deutsche, dauerhaft vor der Küste Somalias präsent – zur „Piratenbekämpfung“.[4] Die nun von der EU trainierten Soldaten könnten an Land gegen die Seeräuber vorgehen, aber auch die Übergangsregierung, die von Berlin, Brüssel und Washington installiert wurde, gegen ihre Gegner verteidigen. Die Übergangsregierung ist faktisch einflusslos und kontrolliert allenfalls ein paar Straßenzüge in Mogadischu. Sie wird bis heute von einer Truppe der Afrikanischen Union („African Union Mission in Somalia“, AMISOM) abgesichert. An AMISOM beteiligen sich – mit Unterstützung der EU [5] – rund 2.700 Militärs aus Uganda und 2.550 Soldaten aus Burundi. Erst kürzlich haben Menschenrechtsorganisationen der Einheit, aber auch den Milizen des Übergangsregimes schwere Kriegsverbrechen vorgeworfen.[6]
Piraten
Uganda und Burundi gehören der East African Community (EAC, Ostafrikanische Gemeinschaft) an, einem Verbund von fünf Staaten [7], den Berlin und Brüssel immer stärker für die Befriedung Somalias zu nutzen suchen. Dies trifft etwa auch auf das EAC-Mitglied Kenia zu, das an Somalia grenzt. Verschiedene westliche Staaten, darunter Deutschland, überstellten in der Vergangenheit somalische Piraten an die kenianischen Behörden, um sie in dem Land aburteilen zu lassen. Der größte kenianische Hafen in Mombasa war die Ausgangsbasis einer geplanten Aktion der GSG 9 (Grenzschutzgruppe 9), mit der ein von Piraten gekapertes deutsches Schiff befreit werden sollte. Dazu waren 200 paramilitärisch bewaffnete deutsche Polizisten nach Kenia entsandt worden.[8] Zuletzt jedoch hat die kenianische Regierung begonnen, sich der Kooperation mit dem Westen zu widersetzen: Sie will keine somalischen Piraten mehr übernehmen, um sie vor Gericht zu stellen. Die EU übt Druck in Nairobi aus, um diese Entscheidung rückgängig zu machen.
Ein neues Hauptquartier
Wie der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Dirk Niebel (FDP), kürzlich bei einer Reise nach Tansania ankündigte, will Berlin die Kooperation mit der EAC weiter ausdehnen. So unterstützt die Bundesrepublik den Bau eines neuen EAC-Hauptquartiers in Arusha (Tansania) mit 14 Millionen Euro. Alles in allem hat Deutschland den Staatenverbund, der im Jahr 2000 neu gegründet wurde, mit bislang 47,7 Millionen Euro finanziert. Dabei ist das flächenmäßig größte EAC-Land, Tansania, ein Schwerpunkt der Berliner Politik: Es erhält, verglichen mit den übrigen Subsahara-Staaten, einen der höchsten deutschen „Entwicklungs“-Beträge. Wie Niebel und Außenminister Westerwelle im April bei ihrem Besuch in Daressalam sagten, denke Berlin darüber nach, in Zukunft die Ausbildung somalischer Polizisten in Tansania zu finanzieren.[9]
Gegen China
Dabei steht die Einflusspolitik Deutschlands in seiner einstigen Kolonie, deren Präsident die deutschen Minister kürzlich in einem 1902 als deutscher Verwaltungssitz gebauten Palast empfing, in einem durchaus größeren Kontext: Sie richtet sich nicht zuletzt gegen die Volksrepublik China. Der chinesische Einfluss ist in Ostafrika insgesamt in den vergangenen Jahren erheblich gestiegen. Tansania gilt ohnehin als einer der engsten Partnerstaaten der Volksrepublik auf dem afrikanischen Kontinent. China unterstützt Tansania bereits seit Ende der 1960er Jahre – etwa mit dem Bau einer Eisenbahn – und ist heute der mit Abstand bedeutendste Lieferant des Landes. Berichten zufolge ist die Volksrepublik auf Sansibar, einer tansanischen Insel im Indischen Ozean, inzwischen sogar militärisch präsent. Dies tangiert deutsche Interessen ganz unmittelbar: Die Bundesrepublik hat Soldaten im Rahmen einer sogenannten Beratergruppe in Tansania stationiert.
Deutsches Afrika-Korps
Die deutsch-chinesischen Rivalitäten in Tansania sind nicht neu. Ende 1963 wurde Tansania von der damaligen Kolonialmacht Großbritannien unabhängig; dabei kam es zu Spannungen zwischen der arabisch besiedelten Insel Sansibar und dem schwarzafrikanischen Festland, Tanganjika. Auf Sansibar konnten sich Kräfte durchsetzen, die die deutsche Presse als „pro-chinesisch“ einstufte. Bonn entsandte daraufhin 52 Soldaten und Techniker für geplante drei Jahre als Ausbilder an den Indischen Ozean. Sie wurden damals als „bundesrepublikanisches Afrika-Korps“ bezeichnet. Die Bundeswehr-„Schutztruppe“ sollte pro-westliche tanganjikanische Soldaten in der Benutzung von sechs Küstenwachbooten und von 25 Flugzeugen (Schul-, Transport- und Aufklärungsmaschinen) unterweisen. Nachdem Tanganjika sich mit Sansibar 1964 vereinigt und Beijing zugewandt hatte, mussten die deutschen Soldaten erfolglos abziehen.[10]
german-foreign-policy.com, 13.05.2010