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David X. Noack

Kritische Perspektiven auf Geschichte und internationale Politik

Die Grenzen amerikanischer Einflussnahme

Nach dem Machtwechsel in Kirgisistan sucht Berlin die EU in Bischkek neu in Stellung zu bringen. Ziel ist eine Aufwertung Europas gegenüber den USA. Brüssel müsse seine Interessen in Zentralasien „engagierter als bisher“ vertreten, fordert die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung. Berlin setzt dazu auf engere Zusammenarbeit mit der seit kurzem amtierenden Übergangsregierung. Er gehe davon aus, dass Washington „sich unserem politischen Signal anschließen“ werde, erklärt der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung. In den letzten Jahren hatten die Vereinigten Staaten die westliche Politik in Kirgisistan dominiert, wo sie einen strategisch bedeutenden Militärstützpunkt unterhalten. Die Basis wird zur Zeit vor allem für den Afghanistan-Nachschub genutzt und ist darüber hinaus auch für subversive Aktivitäten gegen die Volksrepublik China geeignet. Allerdings hat Washington, da der von ihm gestützte Präsident ins Exil gehen musste, jetzt an Einfluss verloren. Berlin hofft, dies zur Stärkung seiner eigenen Position in Bischkek nutzen zu können.

Äußere Machtkämpfe

Hintergrund der aktuellen Auseinandersetzungen in Kirgisistan sind äußere Machtkämpfe. In den letzten Jahren hat der Westen den kürzlich gestürzten Präsidenten Kurmanbek Bakijew unterstützt. Dies trifft vor allem auf die Vereinigten Staaten zu, die Bakijew im Jahr 2005 bereits den Weg zur Macht bahnten.[1] Andererseits sahen Beobachter beim Sturz des immer autoritärer herrschenden Präsidenten keineswegs nur wütende Protestdemonstranten, sondern auch russische Geheimdienste am Werk.[2] Tatsächlich hatte die jetzt amtierende Übergangspräsidentin Rosa Otunbajewa bereits in der Opposition Russland als „strategischen Partner und Verbündeten“ bezeichnet.[3] Dazu passt, dass Moskau die Übergangsregierung umgehend anerkannt hat, während der Westen, insbesondere die USA, noch zögert. Die EU benötige „ein klares Bild davon, was in Wirklichkeit geschehen ist, wer die Verantwortung trägt“, sagte EU-Außenministerin Catherine Ashton Mitte letzter Woche.[4] Sie forderte die Übergangsregierung in Bischkek auf, „einen klaren Plan für die Wiederherstellung der demokratischen Verfassungsordnung“ vorzulegen.

Eigene Interessen

Demgegenüber prescht Berlin nun vor und verlangt eine Kooperation mit der Übergangsregierung. Wie der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning (FDP), fordert, sollen die EU-Außenminister nach der Debatte über Kirgisistan am heutigen Montag der Übergangsregierung „deutlich ihre Unterstützung zusichern“.[5] Zugleich beansprucht Berlin eine stärkere Rolle bei der Gestaltung der westlichen Politik gegenüber Zentralasien. Er gehe „davon aus“, dass sich die USA „unserem politischen Signal anschließen“, erklärte Löning. Dem Statement ging eine Abstimmung des Auswärtigen Amtes und des Entwicklungsministeriums mit den parteinahen Stiftungen voraus, die in Bischkek Repräsentanzen unterhalten. Bei diesen hieß es schon zuvor, die EU solle mehr auf eine eigene Position setzen. „Der Sturz des Bakijew-Regimes“ mache „die Grenzen amerikanischer Einflussnahme in Zentralasien deutlich“, urteilt etwa die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung: Es sei „deshalb – auch im amerikanischen Interesse – Angelegenheit der Europäischen Union, eigene Interessen engagierter als bisher zu vertreten“.[6] Dazu bedürfe es „einer besseren Verständigung mit Russland, das nach wie vor eine Schlüsselrolle für die Stabilität in den zentralasiatischen Staaten spielt“. Deutschland kommt bei seinen Einflussbemühungen zugute, dass es nicht nur enge Beziehungen zu Moskau [7], sondern auch als einziger Staat der EU eine Botschaft in Bischkek unterhält.

Militärstützpunkte

Worum es in Kirgisistan für den Westen geht, zeigen vor allem die Bemühungen der USA um militärische Präsenz. Washington unterhält eine Airbase auf dem Flughafen Manas bei Bischkek, über die rund 20 Prozent des Afghanistan-Nachschubs abgewickelt werden. Allein im letzten Jahr nutzten 460.000 US-Soldaten den Stützpunkt als Zwischenstation auf dem Weg nach Afghanistan oder zurück. Die Airbase ist umstritten; die USA mussten die Pacht, die vor allem dem Bakijew-Clan zugute gekommen sein soll, kürzlich deutlich erhöhen. Erst am 17. März hatte sich der US-General David Petraeus, der als Oberkommandierender des US Central Command für die Region zuständig ist, mit Bakijew getroffen. Es hieß, die US-Regierung wolle 5,5 Millionen US-Dollar für ein NATO-„Antiterrorzentrum“ zahlen, das man in der südkirgisischen Provinz Batken einrichten wolle. Moskau lehnt das anhaltende Eindringen des Westens in seine traditionelle zentralasiatische Einflusssphäre ab. Insbesondere westliche Militärstützpunkte werden von der russischen Regierung nicht gewünscht. Auch China beobachtet westliche Militäraktivitäten in Kirgisistan mit Skepsis, da sie in deutlicher räumlicher Nähe zum westchinesischen Gebiet Xinjiang stattfinden. Dort agitieren Sezessionisten gegen die staatliche Integrität der Volksrepublik.

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Kirgisischer und amerikanischer Soldat

Militärkooperation

Hätte ein NATO-„Antiterrorzentrum“ in Batken auch dem NATO-Mitglied Deutschland die Chance auf direkte militärische Präsenz geboten, so arbeitet Berlin bereits seit Jahren mit dem kirgisischen Militär zusammen – in enger Abstimmung mit den USA. So luden etwa das deutsch-amerikanische George C. Marshall Center und das deutsche Verteidigungsministerium im Jahr 2006 Abgeordnete aus Kirgisistan nach Berlin ein, um über die „parlamentarische Kontrolle von Sicherheitskräften“ zu diskutieren.[8] Zwei Jahre später veranstaltete das Marshall Center einen Workshop in Bischkek, an dem unter anderem ein Generalmajor der Bundeswehr teilnahm. Dazu eingeladen waren Mitarbeiter der kirgisischen Ministerien für Verteidigung, für Äußeres und für Inneres sowie des Grenzschutzes und der Nationalgarde. Im Februar 2009 schließlich richteten kirgisische Marshall-Absolventen der drei genannten Ministerien einen Runden Tisch in Bischkek ein.

Uigurische Sezessionisten

Militärischer Präsenz in Kirgisistan wird nicht nur Bedeutung beigemessen, weil der Süden des Landes als Transit-, Rückzugs- und Rekrutierungsgebiet für militante Islamisten immer wichtiger wird. In Kirgisistan lebt eine mehrere zehntausend Menschen umfassende uigurische Minderheit, die zum Teil enge Kontakte zu uigurischen Separatisten im westchinesischen Xinjiang unterhält. Anfang dieses Jahrzehnts startete die Volksrepublik China eine militärische Zusammenarbeit mit Kirgisistan, um besser gegen uigurische Separatisten vorgehen zu können. Seit der jetzt gestürzte Präsident Bakijew im Jahr 2005 sein Amt angetreten hatte, spekulierte Beijing verstärkt über ein Einsickern von Sezessionisten aus Kirgisistan nach Xinjiang. Aus Sicht Chinas verstärkt sich das Destabilisierungspotenzial Kirgisistans zudem durch die Tatsache, dass gut 100.000 Menschen in Xinjiang Kirgisisch sprechen. In Kirgistan ist nicht zuletzt auch der „Weltkongress der Uiguren“ vertreten, der eine Zentrale in München unterhält – mit Duldung und Unterstützung durch diverse deutsche Stellen.[9] Er wird von China als terroristische Organisation eingestuft.

Exklusive Einflussmittel

Neben den Interventionen im Rahmen der westlichen Zentralasienpolitik sichert sich Berlin auch exklusive Einflussmittel – mit Hilfe seiner „Deutschtums“-Politik. In Kirgisistan leben gut 10.000 deutschsprachige Bürger, die die Bundesrepublik eng anbindet und politisch nutzt. So unterstützt Berlin etwa den Verband der Deutschen Kirgisistans mit Sprachkursen, Fortbildungen, kulturellen Angeboten sowie sozialer und humanitärer Hilfe. Ein „Volksrat der Deutschen Kyrgiztans“ gehört der „Föderalistischen Union Europäischer Volksgruppen“ (FUEV) an, die mit staatlichen Geldern alimentiert und von Deutschland aus gesteuert wird.[9] Im südkirgisischen Dschalalabad befindet sich ein Begegnungszentrum für die deutschsprachigen Bürger des Landes. Dschalalabad liegt am östlichen Ende des Ferganatals, einer der unruhigsten Regionen Zentralasiens. Die dort ansässigen islamistischen Organisationen unterliegen sorgfältiger Beobachtung durch die westlichen Staaten.

[1] Traum vom Frühling; www.spiegel.de 21.11.2005

[2] Richard M. Bennett: Old habits die hard in Kyrgyzstan; www.atimes.com 13.04.2010

[3] Drei-Tages-Revolution in Kirgistan; Länderbericht der Konrad-Adenauer-Stiftung 09.04.2010

[4] EU-Hilfe für Kirgistan nur bei demokratischer Entwicklung des Landes – Ashton; RIA Novosti 21.04.2010

[5] „Europa sollte sagen: Wir finden das gut!“; www.fr-online.de 23.04.2010

[6] Drei-Tages-Revolution in Kirgistan; Länderbericht der Konrad-Adenauer-Stiftung 09.04.2010

[7] s. dazu Keine Angst vor Moskau!, Eine Frage der Orientierung und Der Sinn der Aussöhnung

[8] Konferenz zentralasiatischer Parlamentarier; www.bundeswehr.de

[9] s. dazu Die Zukunft Ost-Turkestans und Bündnis gegen Beijing

www.german-foreign-policy.com, 26.04.2010

3 Responses to “Die Grenzen amerikanischer Einflussnahme”

  1. Chapeau, das ist eine Meldung, die sich total mit diesem Artikel von Zeenia Satti http://iaoj.wordpress.com/2010/04/16/us-options-in-the-kyrgyzstan-crisis-by-zeenia-satti/ deckt. Überhaupt lohnen sich alle ihre Artikel, weil sie Zusammenhänge aufzeigt. Ich werde diesen Artikel im Laufe der Woche bei mir übersetzt veröffentlichen. Zeenia (Pakistanische Energieexpertin) hat heute ihr o.k. gegeben. Das passt in Euere Analyse wie Faust auf Auge. Weiter so!

  2. Ich weiß ja dass deine Artikel nicht den Anspruch auf ausgewogeheit erheben, aber hier ein paar Punkte zum nachdenken:

    – Es ist sowohl in russischem als auch in europäischem Interesse dass Kirgisien stabil ist und nicht als Terroristenrückzugsgebiet und Drogentransitland genutzt wird. Von daher ist es auch in russischem Interesse wenn Europa der neuen Regierung den Rücken stärkt.

    – Anstatt den Chinesen-Sprech von den „Terroristen“ zu übernehmen hättest du vielleicht mal die Minderheitenpolitik Chinas kritisieren können. Warum werden denn Menschen zu „Terroristen“? Wenn du westliches Vorgehen in AFG kritisierst kannst du das bei anderen Ländern nicht vernachlässigen.

    – Was an einem Workshop zur Parlamentarischen Kontrolle der Armee schlimm sein soll, erschließt sich mir nicht.

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    --26. April 2010 @ 01:50

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