»Das Einzige, was wir zu fürchten haben, ist die Furcht selbst.« — Franklin D. Roosevelt
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David X. Noack

Kritische Perspektiven auf Geschichte und internationale Politik

Auf nach Asien II

Mit einem „Mekong-Länder-Tag“ hat Berlin vergangenen Sonntag bei den aktuellen „Asien-Pazifik-Wochen“ für neue Aktivitäten auf dem südostasiatischen Festland geworben. Die dortigen Länder erwecken seit mehreren Jahren das besondere Interesse der Bundesregierung, weil sie als mögliche Verbündete gegen die Einflussexpansion Chinas betrachtet werden. Bereits seit Jahren sucht Berlin seine Kooperation mit Vietnam zu vertiefen, einem traditionellen Rivalen Beijings, dem zugetraut wird, auch in Zukunft Opposition zu seinem nördlichen Nachbarn zu betreiben. Mittlerweile müht sich die Bundesregierung auch, zwei kleinere Staaten aus der unmittelbaren vietnamesischen Einflusssphäre in das antichinesische Vorgehen einzubeziehen: Kambodscha und Laos. Die beiden Länder, die zuletzt während des Vietnamkriegs eine gewisse internationale Aufmerksamkeit genossen, sind Gegenstand ernstzunehmender deutscher und inzwischen auch US-amerikanischer Aktivitäten. Fernab öffentlicher Wahrnehmung hat Berlin letztes Jahr mehrere Dutzend Militärberater nach Kambodscha entsandt; dabei handelt es sich um eine der größten unmandatierten Auslandsaktionen des deutschen Militärs in jüngster Zeit. Die antichinesischen Aktivitäten Berlins in Südostasien lassen künftige Konflikte in Ansätzen erahnen.

Rivalitäten der Großmächte

Südostasien ist in zunehmendem Maße Schauplatz von Rivalitäten zwischen den Großmächten. Die USA haben sich vor allem im Königreich Thailand festgesetzt, mit dem sie seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs eng verbündet sind; sie benutzten das Land bereits im Vietnamkrieg als Stützpunkt und unterhalten dort bis heute dauerhaft drei Militärbasen. Thailand versucht allerdings in jüngster Zeit, seine Beziehungen zu anderen Mächten zu stärken und so seine Abhängigkeit von Washington zu lockern. Die Volksrepublik China hat sich inzwischen exklusiven Einfluss in Myanmar gesichert, das vom Westen isoliert wird; es gewährt Beijing einen Zugang zum Indischen Ozean. Vietnam, ein traditioneller Rivale Chinas, müht sich um eine möglichst eigenständige Politik und nutzt dazu seine Marinebasis Cam Ranh Bay. Dort waren bis zum Jahr 2002 russische Kriegsschiffe stationiert. Russland hat im vergangenen Jahr erklärt, Cam Ranh Bay wieder in Betrieb nehmen und in Südostasien Präsenz zeigen zu wollen; allerdings verhandelt Vietnam inzwischen auch mit den USA, denen die Basis im Vietnamkrieg gehörte, und mit Indien. Indien würde in Cam Ranh Bay erstmals einen Militärstützpunkt auf dem südostasiatischen Festland etablieren; die Vereinigten Staaten wollen den Zivilhafen für Kriegsschiffe aller Nationen öffnen – ein Schritt, der auch Deutschland und der EU Spielraum verschaffen würde.[1]

Im „Hinterhof“ Vietnams

Die Konkurrenz der Großmächte erreicht immer stärker auch zwei Länder, die bisher nicht im Zentrum der internationalen Aufmerksamkeit standen – Kambodscha und Laos. Traditionell betrachtet sich Vietnam als Hegemon über die beiden Staaten, die im Westen an sein Territorium grenzen; es besitzt dort tatsächlich bis heute großen Einfluss. Seit geraumer Zeit stärkt jedoch Vietnams Rivale China seine Stellung in Laos und Kambodscha, vor allem ökonomisch, inzwischen jedoch auch mit Mitteln der Militärpolitik. So hat sich Beijing im Süden von Laos mit einem Horchposten festgesetzt. Nach Kambodscha wurden chinesische Soldaten entsandt, um dort an Minenräumoperationen teilzunehmen. Anfang dieses Jahres ging sogar – zum ersten Mal überhaupt – ein chinesisches Kriegsschiff in Kambodscha vor Anker.[2]

Der erste Auslandseinsatz

Deutschland, das seine Kooperation mit Vietnam seit Jahren intensiviert – nicht zuletzt, um den Einfluss Chinas einzudämmen -, ist seit den 1990er Jahren auch in Kambodscha aktiv und stärkt dort die Positionen des Westens. In Kambodscha führte die Bundeswehr ihren ersten Auslandseinsatz durch: Am 6. November 1991 fiel die Entscheidung zu einem Hilfseinsatz für die UNO, der den Betrieb eines Krankenhauses in Phnom Penh mit Sanitätspersonal der deutschen Streitkräfte vorsah. In Kambodscha kam auch der erste deutsche Soldat im Auslandseinsatz zu Tode: Unbekannte erschossen einen Feldwebel auf offener Straße. Unmittelbar nach Gründung des Königreichs Kambodscha unter UN-Verwaltung im Jahr 1993 nahm Deutschland diplomatische Beziehungen zu dem Staat auf und baute seine Zusammenarbeit in den folgenden Jahren systematisch aus. So ist Kambodscha nicht nur ein wichtiges „Partnerland“ der sogenannten deutschen Entwicklungshilfe; Berlin gehört zudem zu den größten Unterstützern des „Khmer Rouge Tribunals“ zur Aufarbeitung des Genozids, dem für die Entwicklung des Landes einige Bedeutung beigemessen wird.[3]

„Entwicklungshilfe“

Die Berliner „Entwicklungshilfe“ zahlt sich inzwischen erkennbar aus. Ein Schwerpunkt der Maßnahmen sind Wirtschaftsreformen und der Aufbau der Marktwirtschaft – mit günstigen Folgen für Textilkonzerne aus dem Westen: Wegen der lächerlich niedrigen Löhne ist das Land inzwischen als Billiglohnstandort für Bekleidungsunternehmen bekannt. 80 Prozent der kambodschanischen Exporterlöse werden mit Textilexporten erzielt. Dabei ist Deutschland nach den USA der zweitgrößte Abnehmer kambodschanischer Ausfuhren. Zu den Nutznießern zählen Firmen wie Adidas, Puma und Deichmann.[4] Die relativ starke Stellung des Westens in der kambodschanischen Wirtschaft wird nun weiter ausgebaut. Mit mehreren Unternehmerreisen hat sich das Bundeswirtschaftsministerium in den letzten Jahren um eine Stärkung des deutschen Firmeneinflusses in Kambodscha und Laos bemüht. Im Sommer hat nun auch Washington Wirtschaftsrestriktionen aufgehoben und damit die Voraussetzungen für eine engere ökonomische Zusammenarbeit mit Kambodscha und Laos geschaffen. Beobachter vermerken, dass die USA ihre Einflussversuche keineswegs auf diese beiden Länder beschränken: Nach dem Scheitern des Versuchs im Jahr 2007, mit einem prowestlichen Umsturz in Myanmar China deutlich zurückzudrängen [5], hat Washington nun eine Phase der Kooperation mit dem Land eingeleitet, um die westlichen Positionen dort wenigstens schrittweise zu verbessern.
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Militär

Neben ökonomischen Aktivitäten gewinnen dabei militärpolitische Maßnahmen für den Westen immer größeres Gewicht – keineswegs nur für die USA. Washington hat im August Soldaten nach Kambodscha entsandt, um die Anpassung der kambodschanischen Armee an westliche Militärstandards – die sogenannte Interoperabilität – zu befördern. Die Vereinigten Staaten finanzieren darüberhinaus auch die Teilnahme der kambodschanischen Streitkräfte an transpazifischen Manövern. Auch Berlin entsendet Soldaten nach Kambodscha. Im Jahr 2006 hielten sich zwei deutsche Militärberater dort auf – zur „Implementierung von Gesetzen und Verordnungen zur Kleinwaffenkontrolle sowie Verbesserung der Lagerung von Munition und Explosivstoffen“. Zu demselben Zweck wurden im Jahr 2007 14, im Jahr 2008 sogar 54 Militärs nach Kambodscha geschickt, zuzüglich dreier deutscher Sanitätssoldaten. Auch dieses Jahr wurden mehrere Bundeswehrangehörige an den Mekong entsandt. Es handelt sich damit um den größten nicht vom Bundestag mandatierten Einsatz der Bundesrepublik.[6]

Künftige Konflikte

Die zunehmenden, auch militärischen Aktivitäten des Westens auf dem südostasiatischen Festland zielen darauf ab, den Einfluss Chinas unmittelbar südlich seiner Grenzen einzudämmen – in einem Gebiet, das für die Volksrepublik eine ähnliche Bedeutung gewinnen könnte wie Lateinamerika für die USA und Osteuropa für Deutschland. Damit zeichnen sich künftige Konflikte deutlich ab. Berlin beteiligt sich bereits jetzt nach Kräften.

[1] Cam Ranh Bay back in strategic limelight; South China Morning Post 16.08.2008
[2] Chinese military vessel makes 1st ever visit to Cambodia; Xinhua 05.11.2008
[3] Wieczorek-Zeul: Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit dürfen niemals ungesühnt bleiben! Erster Prozesstag des Khmer Rouge Tribunals in Kambodscha; Pressemitteilung der Bundesministeriums für Entwicklung und wirtschaftliche Zusammenarbeit 17.02.2009
[4] s. dazu In Vorbereitung
[5] s. dazu Prestigeträchtig, Mit langem Atem und Offen oder verdeckt
[6] Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Paul Schäfer (Köln), Monika Knoche, Heike Hänsel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. Drucksache 16/13784. Auslandsaufenthalte der Bundeswehr ohne Mandat des Deutschen Bundestages, 31.07.2009

german-foreign-policy.com, 15. Oktober 2009

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  1. Machtkampf in Südostasien | David X. Noack:

    […] for second campus of Lao-German Technical College. vientianetimes.org.la 04.05.2019. [9] S. dazu Auf nach Asien! (II) [10] Bertil Lintner: Little Laos risks losing it all to China. asiatimes.com 13.05.2018. [11] Shwan […]

    --22. August 2019 @ 12:51

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