»Dora meldet...« — Sándor Radó
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David X. Noack

Kritische Perspektiven auf Geschichte und internationale Politik

Enge Beziehungen

Berlin soll im jemenitischen Bürgerkrieg zwischen den Rebellen und der Zentralregierung „vermitteln“. Dies verlangt ein nordjemenitischer Aufständischer, der in Deutschland Asyl genießt. Das Verlangen nach einer stärkeren deutschen Einmischung im Jemen richtet sich gegen die Regierung des mittelöstlichen Landes. Der Jemen ist im Begriff, neue militärische Forderungen der Bundesrepublik abzuwehren, und wird deswegen unter Druck gesetzt. Jahrelang galt Berlin als „bevorzugter westlicher Partner“. Die Zusammenarbeit erstreckte sich insbesondere auf den sogenannten Anti-Terror-Kampf. Wie Menschenrechtsorganisationen einschätzen, halten die jemenitischen Behörden mehrere Hundert Personen ohne gesetzliche Grundlage gefangen, teilweise auf ausdrückliche Anweisung Washingtons. Deutsche Polizeibehörden kooperieren mit den Repressionskräften und sind in der Hauptstadt des Jemen mit einem Kontaktbeamten des Bundeskriminalamtes vertreten. Sanaa weigert sich jedoch, das Land nun auch noch für die deutsche Marine zu öffnen, und hat im März ein Abkommen zurückgewiesen, das deutschen Kriegsschiffen den dauerhaften Zugang zu seinen Hoheitsgewässern gewähren sollte.

Wie der nordjemenitische Aufständische Yahya al-Huthi, ein ehemaliger Parlamentsabgeordneter, verlangt, soll die Bundesregierung Verhandlungen zwischen den verfeindeten Bürgerkriegsparteien in seinem Herkunftsland einleiten. „Die Deutschen wären gute Vermittler, sie haben enge Beziehungen zum Jemen“, sagte al-Huthi der deutschen Presse.[1] Einer seiner Brüder führt die „Bewegung der gläubigen Jugend“ an, eine Rebellenorganisation im Nordjemen, die über mehrere tausend Mitglieder verfügen soll. Sie kämpft seit Juni 2004 gegen die Zentralregierung in Sanaa. Der Konflikt hat bereits tausende Tote gefordert, das Rote Kreuz zählt mehr als 30.000 Flüchtlinge.

Grenzkonflikte

Im Nordjemen waren deutsche Stellen bereits vor drei Jahren in bewaffnete Konflikte involviert. Damals hatten der Jemen und Saudi-Arabien beschlossen, ihre Grenze neu bestimmen und befestigen zu lassen. Wie es hieß, sollten das Einsickern von Terroristen sowie Waffen- und Menschenschmuggel verhindert werden. Beide Seiten engagierten dazu im Jahr 2001 die deutsche Firma Hansa Luftbild [2], die beauftragt wurde, exakte Luft- und Satellitenaufnahmen von der bergigen Region herzustellen und den Grenzverlauf festzulegen. Dabei stieß das Unternehmen auf Widerstand: Hirten wehrten sich gegen die Zerstückelung ihres Weidelandes, es kam zu Schusswechseln.[3] Die Proteste eskalierten, als Saudi-Arabien ankündigte, die Grenze mit einem „Grenzzaun“ befestigen zu wollen. Der mit knapp einer Milliarde US-Dollar dotierte Auftrag mündete 2004 in einen Grenzentwurf der Hansa Luftbild, der den Regierungen Saudi-Arabiens und des Jemen am Firmensitz in Münster (Nordrhein-Westfalen) vorgelegt wurde.

„Verbundenheit und Freundschaft“

Das Grenzziehungsprojekt beruht auf enger Zusammenarbeit der Bundesrepublik nicht nur mit Saudi-Arabien [4], sondern auch mit dem Jemen. Wie das Auswärtige Amt zu wissen meint, hat es im Jemen „mit keinem anderen westlichen Land in den letzten Jahren einen so regen Besucheraustausch gegeben (…) wie mit Deutschland.“[5] Der deutschen Botschaft in Sanaa zufolge prägen „enge Verbundenheit und Freundschaft“ die beiderseitigen Beziehungen.[6] Der jemenitische Staatschef Ali Abdullah Salih fährt nach eigenen Angaben jährlich zu einem Routinebesuch in die Bundesrepublik. „Deutschland ist Freundesland“, erklärt der seit 29 Jahren amtierende Staatschef.[7] Jemen ist Schwerpunktland der deutschen Entwicklungspolitik, die nationalen Parlamente kooperieren eng miteinander, die Kulturbeziehungen sind durch ein spezielles Abkommen geregelt. Die Wirtschaftsbeziehungen zu dem Ressourcenstaat, der wegen seiner Lage am Zugang zum Roten Meer [8] einige geostrategische Bedeutung hat, werden derzeit ausgebaut. Unter anderem ist Eon an einem Einstieg in den jemenitischen Gassektor interessiert.

Mehr Kooperation erwünscht

Für die Zukunft spricht sich die Bertelsmann-Stiftung, der einflussreichste deutsche Thinktank, dafür aus, den Jemen in den Golf-Kooperationsrat (Gulf Cooperation Council, GCC) zu integrieren, dem die Republik bisher lediglich als Beobachter beiwohnt.[9] Die Folge wären verbesserte Handelsbedingungen, sobald das Freihandelsabkommen zwischen der EU und dem GCC abgeschlossen ist. Zugleich verlangt die Bertelsmann-Stiftung, die sicherheitspolitische Zusammenarbeit auszubauen, vielleicht sogar fest institutionalisiert und mit der NATO. Bereits jetzt finden gemeinsame Marineübungen des jemenitischen Küstenschutzes und deutscher Kriegsschiffe statt, die im Rahmen der US-geführten Operation Enduring Freedom vor der jemenitischen Küste patrouillieren. Eine formalisierte Kooperation würde die deutsche Militärpräsenz in dem Land erleichtern und es Sanaa erschweren, der Bundesmarine (wie im März geschehen) den freien Zugang zu den jemenitischen Hoheitsgewässern zu verweigern – einen Akt, der einer Preisgabe der nationalen Souveränität gleichkäme.[10]

Folter

Die deutsch-jemenitische Kooperation im Rahmen des sogenannten Anti-Terror-Kampfes beschränkt sich nicht auf die Marinepatrouillen. Wie anlässlich einer Jemen-Reise des ehemaligen Innenministers Otto Schily bekannt wurde, der im Februar an einer „regionalen Planungskonferenz“ der Friedrich-Ebert-Stiftung in Sanaa teilnahm, arbeiten die Polizeien beider Länder eng zusammen. Unter anderem unterhält das Bundeskriminalamt (BKA) einen sogenannten Verbindungsbeamten in der jemenitischen Hauptstadt. Die dortige Regierung wird von Menschenrechtsorganisationen scharf kritisiert, weil sie mehrere hundert Personen ohne rechtliche Grundlage festhält – nach Informationen von amnesty international auf Verlangen der USA – [11]; zudem liegen Berichte über Folter in jemenitischen Gefängnissen vor.

Leader in Biometrics

Die deutsch-jemenitische Sicherheitskooperation zahlt sich inzwischen aus. Die deutsche Firma Dermalog (Hamburg) führt gegenwärtig fälschungssichere Dienstausweise für den jemenitischen öffentlichen Dienst ein; Finanzier der Papiere und der nach Deutschland abfließenden Gewinne ist die Weltbank. Der ehemalige Innenminister Schily besprach bei seinem Aufenthalt in Sanaa mit dem zuständigen jemenitischen Minister den Fortgang des Projekts. Dermalog („The leader in AFIS and Biometrics“), das „weltweit (…) Kunden aus dem Bereich Polizei, Kriminalpolizei und Nachrichtendienste“ [12] hat und modernste Technologien für die Grenzabschottung nutzbar macht, kann hochrangige Unterstützung gut gebrauchen. Gegen das Unternehmen wird seit diesem April in Indonesien wegen Korruption ermittelt. Die Bestechungsaffäre könnte sogar den Rücktritt eines Staatsministers zur Folge haben, der für die Auftragsvergabe – sie erfolgte unter Vermittlung der deutschen Botschaft und des Bundeskriminalamts [13] – verantwortlich ist. Neueste Meldungen berichten von weiteren Bestechungsmaßnahmen der Firma Dermalog gegenüber der indonesischen Polizei. Die Summe der geflossenen Gelder wird mit 4,9 Millionen US-Dollar beziffert.

[1] Deutschland als Vermittler?; Frankfurter Allgemeine Zeitung 06.05.2007
[2] Die Firma Hansa Luftbild ist bereits seit den 1920er Jahren in Diensten der deutschen Regierung. Als das nationalsozialistische Deutschland 1938/39 Teile der Antarktis unter dem Namen „Neuschwabenland“ annektierte, assistierten dem deutschen Expeditionsverband Mitarbeiter der Hansa Luftbild.
[3] s. dazu Yemen: Deutsche ziehen neue Grenzen und Kompetenzzentrum
[4] s. dazu Partner und Boomdiktaturen
[5] Beziehungen zwischen Deutschland und Jemen; Länder- und Reiseberichte des Auswärtigen Amts
[6] Bundestagsabgeordnete Schily und Mützenich zu Besuch in Sana’a; www.sanaa.diplo.de
[7] „Deutschland ist Freundesland“; Spiegel Online 26.10.2006
[8] s. dazu Gesamtstrategie, Sonderbericht und Interessen der Supermächte
[9] s. dazu Chancen
[10] s. dazu Zugriff und Handlungsfreiheit
[11] amnesty international Deutschland: Jahresbericht 2006. Jemen
[12] AFIS Criminal; www.dermalog.de
[13] Schmiergeld – noch ein Vorwurf aus Jakarta; Hamburger Abendblatt 21.04.2007. Die Jakarta-Connection; Stern 02.04.2007

german-foreign-policy.com, 13.05.2007.

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