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David X. Noack

Kritische Perspektiven auf Geschichte und internationale Politik

Usbekistans deutscher Vizeminister

Ein Mitarbeiter der deutschen Ministerialbürokratie wird Kabinettsmitglied in Usbekistan. Dies berichten mehrere Medien übereinstimmend aus der usbekischen Hauptstadt Taschkent. Demnach ist der deutsche Beamte zum Vizeminister für Innovation der Republik Usbekistans ernannt worden. Seine Entsendung entspricht der Strategie der Bundesregierung, sich stärkeren Einfluss in Zentralasien zu sichern. Berlin hat seine diesbezüglichen Bemühungen nach dem Amtsantritt von Präsident Shavkat Mirziyoyev, dessen Regime Beobachter als autoritär kritisieren, intensiviert. Hintergrund ist, dass in Usbekistan der Einfluss Russlands und Chinas wächst, während derjenige der westlichen Mächte schrumpft – nicht zuletzt auf ökonomischem Gebiet. In Beijing etwa konnte Mirziyoyev zuletzt Verträge im Wert von 20 Milliarden US-Dollar unterzeichnen – im Rahmen des OBOR-Projekts („One Belt One Road“, „Neue Seidenstraße“). Militärpolitisch verlieren die westlichen Staaten gegenwärtig ebenfalls an Einfluss – vor allem zugunsten Russlands.

Aus dem Bildungsministerium nach Taschkent

Laut übereinstimmenden Medienberichten aus Taschkent hat der 2016 ins Amt gelangte usbekische Staatschef Shavkat Mirziyoyev Anfang Juli ein Dekret unterschrieben, mit dem der deutsche Bundesbeamte Karsten Heinz zum künftigen Vizeminister für Innovation der Republik Usbekistan ernannt worden ist. Heinz wird dafür direkt aus dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in die usbekische Hauptstadt wechseln. Vorausgegangen waren Verhandlungen zwischen dem BMBF und der usbekischen Regierung. Heinz hatte sich außerdem mehrmals mit Beamten der relevanten Ministerien Usbekistans getroffen.[1] Es ist das erste Mal, dass ein Deutscher ein so hohes Regierungsamt in einem anderen Land erhält.

Berlins Einflussstrategie

Die Entsendung eines deutschen Bundesbeamten in die usbekische Regierung passt dabei in die Strategie der Bundesregierung, sich stärkeren Einfluss in den Staaten Zentralasiens zu sichern. Den Anlass bot dabei der Wechsel an der usbekischen Staatsspitze nach dem Tod des langjährigen Präsidenten Islam Karimov, unter dessen Regime Deutschland bereits zweieinhalb Jahrzehnte lang exklusive Beziehungen zum bevölkerungsreichsten Land der Region ausgebaut hatte. Karimovs Nachfolger Mirziyoyev kündigte diverse Reformen und Liberalisierungen für sein Land an. Zum ersten Mal nach fünf Jahren Pause tagte daraufhin im vergangenen Jahr die Deutsch-Usbekische Regierungsarbeitsgruppe für Handel und Investitionen; Bundeskanzlerin Merkel erklärte in einem Kommuniqué, die deutsche Regierung sei bereit, Usbekistan bei der „Stärkung des Parlaments“ und vor allem aber bei der „Liberalisierung der Wirtschaft“ zu helfen (german-foreign-policy.com berichtete [2]).

Öffnung zu den Nachbarländern

Seit seinem Amtsantritt als Präsident hat es sich der frühere Premierminister Mirziyoyev zur Aufgabe gemacht, die Beziehungen zu allen Nachbarstaaten zu verbessern. Dabei ist vor allem ein Ausbau der Beziehungen mit Tadschikistan gelungen, der noch vor wenigen Jahren schwer möglich schien. Im April 2017 wurden beispielsweise zehn Grenzübergänge zwischen beiden Ländern geöffnet, die zuvor 16 Jahre lang geschlossen waren.[3] Außerdem trafen sich im Frühjahr 2018 zum ersten Mal seit sieben Jahren alle Staats- und Regierungschefs der postsowjetischen Staaten Zentralasiens.[4] Unter Mirziyoyevs Ägide haben sich auch die afghanisch-usbekischen Beziehungen verbessert. Taschkent exportiert viele Güter nach Afghanistan und beteiligt sich dort am Wiederaufbau.[5] Seit April dieses Jahres ist Usbekistan auch offiziell an der TAPI-Pipeline beteiligt, die in Zukunft Erdgas aus Turkmenistan über Afghanistan und Pakistan – also unter Ausschluss Russlands – nach Indien transportieren soll.[6] Die Beteiligung an gegen Russland gerichteten Wirtschaftsprojekten und die Öffnung Usbekistans gegenüber allen Nachbarländern steigern die Bedeutung des Landes für die deutsche Zentralasienpolitik. Über Usbekistan kann die Politik vieler angrenzender Länder beeinflusst werden.

„Reformen“ nur für die Wirtschaft

Kritiker des neuen Kurses der usbekischen Regierung haben vielfach darauf hingewiesen, dass sich durch Mirziyoyevs Reformen bisher kaum etwas substanziell für die Menschen vor Ort verbessert hat. Bezüglich der Pressefreiheit und der Legalisierung der Opposition hat sich seit dem Amtsantritt des aktuellen Staatschefs so gut wie nichts geändert – abgesehen davon, dass ein Journalist des regierungsfinanzierten US-Senders Voice of America akkreditiert wurde.[7] Auf der anderen Seite hat die usbekische Regierung unter Mirziyoyev die Konvertibilität der Währung eingeführt, Regeln für den internationalen Handel liberalisiert und Ausländern die Möglichkeit der Einreise erleichtert.[8] Mit wirtschaftsliberalen Reformen kommt das Land schnell voran, nicht hingegen bei Menschenrechten und Pressefreiheit. Das Regime habe sich lediglich ein „menschliches Gesicht“ zugelegt, meinen Kritiker.[9] Das nutzt die Bundesregierung nun aus, um Kritik daran abzuwehren, dass sie sich größeren Einfluss in Usbekistan und damit auch in der Region zu sichern sucht.

Der Westen fällt zurück

Wirtschaftlich konnten die westlichen Staaten bei den zahlreichen Auslandsbesuchen des neuen usbekischen Staatschefs bislang kaum Punktgewinne erzielen. Vor allem im Vergleich mit den aufstrebenden Mächten China und Russland fallen die in Usbekistan versprochenen Investitionen westlicher Unternehmen zurück. Zu seinem Amtsantritt hatte Mirziyoyev erklärt, China und Russland genössen die höchste Priorität in der Außenpolitik Usbekistans.[10] Als der usbekische Präsident sich in Beijing aufhielt, konnten usbekisch-chinesische Wirtschaftsverträge im Umfang von 20 Milliarden US-Dollar unterzeichnet werden. In Moskau waren es Vereinbarungen im Wert von weiteren 15,8 Milliarden US-Dollar. Mit den USA schloss Mirziyoyev hingegen Wirtschaftsverträge im Umfang von lediglich 5,8 Milliarden US-Dollar ab, mit der Türkei Geschäfte im Wert von 3 Milliarden US-Dollar.[11] In der Wirtschaft schwindet der westliche Einfluss immer mehr.

„Neue Seidenstraße“

Für großes Aufsehen in der internationalen Öffentlichkeit hat in den vergangenen Jahren das chinesische Projekt „One Belt, One Road“ (OBOR) gesorgt, das in Deutschland meist „Neue Seidenstraße“ genannt wird. OBOR ist wahrscheinlich das größte Investitionsprojekt in der Geschichte der Menschheit. Westliche Experten schätzen den Umfang auf zwischen 500 und 900 Milliarden US-Dollar.[12] Zu den wichtigsten chinesisch-usbekischen Wirtschaftsprojekten, auf die sich die Regierungen beider Länder bei Mirziyoyevs Staatsbesuch im Mai 2017 in Beijing einigten, gehören Infrastrukturprojekte im Umfang von 520 Millionen US-Dollar und der Bau einer Straße vom westchinesischen Kaschgar nach Andijan in Usbekistan, die noch einmal zusätzlich 220 Millionen US-Dollar kosten soll.[13] Im Gegensatz zu den gigantischen Investitionen Chinas in OBOR ist das von Deutschland lange Zeit mitgetragene EU-Projekt TRACECA, das ebenfalls Transportkorridore zwischen Europa und Asien ausbauen sollte und wie OBOR „Neue Seidenstraße“ genannt wurde, gescheitert. Es setzte einseitig auf eine Umgehung Russlands, wodurch der Transport von Gütern aus Europa nach China zwei bis drei Mal teurer wurde.[14]

Neue und alte Militärkontakte

Im Frühjahr 2018 wurde bekannt, dass Usbekistan – in einer Abkehr von seiner bisherigen Militärstrategie – zehn russische Kampfhubschrauber Mil Mi-24 erwerben wird. Noch unter Ex-Präsident Karimow hatte die usbekische Regierung überlegt, ähnliche Hubschrauber in Westeuropa zu beschaffen. Als Zeichen der verbesserten Beziehungen zwischen Moskau und Taschkent darf Usbekistan die Hubschrauber zu Vorzugsbedingungen kaufen, die sonst nur militärischen Alliierten Russlands vorbehalten sind.[15] Noch im Jahr 2015 hatte die US-Regierung in einer in Zentralasien noch nie dagewesenen Aktion den Streitkräften Usbekistans über 300 Militärfahrzeuge geschenkt.[16] Bis Ende 2015 hatte die deutsche Luftwaffe ihren „Strategischen Lufttransportstützpunkt“ im südusbekischen Termez betrieben, der jedoch zum Jahreswechsel 2015/2016 abgewickelt wurde.[17] Auch auf exklusive Militärkontakte zu Taschkent können die westlichen Staaten – Deutschland inklusive – nicht mehr setzen.

[1] German expert becomes deputy minister of innovation in Uzbekistan. tashkenttimes.uz 11.07.2018. Karsten Heinz wird Vize-Innovationsminister in Usbekistan. daz.asia 12.07.2018.

[2] S. dazu Frischer Wind auf der Seidenstraße (I).

[3] Edward Lemon: The Transformation of the Uzbek-Tajik Relationship. jamestown.org 12.03.2018.

[4] Umida Hashimova: Central Asian Reset. jamestown.org 21.03.2018.

[5] Umida Hashimova: The Dynamics Driving Uzbekistan’s Warming Relationship With Afghanistan. jamestown.org 13.12.2017.

[6] Uzbekistan signs up to TAPI pipelin. eurasianet.org 23.04.2018.

[7] Catherine Putz: Can Trump Bring Balance to US-Uzbekistan Relations? thediplomat.com 17.05.2018.

[8] Indra Overland/Roman Vakulchuk: China’s Belt and Road Gets a Central Asian Boost. thediplomat.com 03.05.2018.

[9] Paul Goble: Will the ‚Uzbek Gorbachev‘ Succeed-or Be Allowed To?, jamestown.org 27.02.2018.

[10] Timur Dadabaev: Uzbekistan as Central Asian game changer? Uzbekistan’s foreign policy construction in the post-Karimov era, in: Asian Journal of Comparative Politics (noch nicht erschienen – online verfügbar auf journals.sagepub.com seit dem 08.05.2018).

[11] Chris Rickleton: Uzbekistan aglow after president’s successful US visit. eurasianet.org 18.05.2018.

[12] China’s OBOR may be largest overseas investment push in history. atimes.com 04.05.2017.

[13] Timur Dadabaev: Uzbekistan as Central Asian game changer? Uzbekistan’s foreign policy construction in the post-Karimov era, in: Asian Journal of Comparative Politics (noch nicht erschienen – online verfügbar auf journals.sagepub.com seit dem 08.05.2018).

[14] Maria Lagutina: Improving Relations with Russia and Ukraine, in: Alessia Amighini (Hg.): China’s Belt and Road: A Game Changer? Mailand 2017, S. 53-74 (hier: S. 71).

[15] John C. K. Daly: Russia’s Discounted Mi-35 Sales to Uzbekistan: A Sign of Closer Russian-Uzbek Military Ties? jamestown.org 09.04.2018.

[16] Navbahor Imamova: US Gives Uzbekistan Military Equipment Boost. voanews.com 22.01.2015.

[17] Resolute Support: Strategischer Lufttransportstützpunkt Termez wird geschlossen. bundeswehr.de 14.10.2015.

Erschienen auf german-foreign-policy.com, 20.07.2018.

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