»Robert Fico dominiert weiter die Linke«
Basis der slowakischen Regierungspartei ist antiimperialistisch eingestellt. Ein Gespräch mit Dr. Lubos Blaha
Als die Slowakei 2004 der EU und der NATO beitrat, galt das Land als neoliberaler Musterstaat. Wo steht die Slowakei heute, nach zehn Jahren unter Robert Fico?
Die Arbeitslosigkeit ist auf einem Rekordminimum, das Wirtschaftswachstum ist sehr hoch. Es gibt viele Projekte, um die regionalen und sozialen Unterschiede zu verringern. Der Rücktritt von Robert Fico hat nichts mit den sozioökonomischen Bedingungen zu tun. Die Medien waren Fico feindlich gesinnt, seit er das erste Mal ins Amt kam. Nun haben die Medien gemeinsam mit der rechten Opposition und neoliberalen Nichtregierungsorganisationen die Tragödie um den Mord an Jan Kuciak und seiner Verlobten missbraucht, um ihn loszuwerden.
In der vergangenen Legislaturperiode scheiterte die Verstaatlichung der Krankenversicherungen ebenso wie der Bau einer Schnellstraße nach Kosice. Was hat Fico seit seiner ersten Wiederwahl 2012 erreicht?
Das waren wirklich zwei Rückschläge. Aber in der zweiten Amtszeit Ficos wurde die Flat Tax abgeschafft, und ein neues Arbeitsgesetz stärkte die Gewerkschaften. Der größte Erfolg der dritten Amtszeit Ficos ist das Gesetz über eine soziale Wirtschaft. Das eröffnet Kooperativen und gemeinnützigen Firmen die Möglichkeit staatlicher Zuschüsse. Außerdem gibt es nun eine Mindestrente, und der Druck auf die multinationalen Konzerne wurde gesteigert, die Löhne in den Fabriken in der Slowakei zu erhöhen.
In der Smer-SD gibt es einen nationalistischen sowie einen Pro-EU-Flügel, konservativ geneigte Sozialdemokraten und Linke wie Sie. Wo steht der designierte Premierminister Peter Pellegrini innerhalb der Partei?
Herr Pellegrini ist eher ein Modernisierer, der aber auch klassisch sozialdemokratische Ansichten bei Tarifverhandlungen und sozialen Kooperativen vertritt. Aber Fico wird weiterhin einen großen Einfluss in der Partei und im Land haben. Er steht in ökonomischen Fragen weiter links, ist aber auch traditionalistischer in kulturellen Fragen. Ich selber stehe am weitesten links und kritisiere den neoliberalen Charakter der EU. Aber ich bin auch nicht Mitglied der Partei Smer-SD.
Wo steht die Linke – innerhalb und außerhalb der Smer-SD – im Jahr 2018?
Die Basis der Smer-SD ist wirtschaftlich sehr links und geopolitisch antiimperialistisch eingestellt. Die Parteiführung hingegen ist viel zentristischer. Es gibt noch die sehr kleine Kommunistische Partei der Slowakei, KSS, die sehr prorussisch, panslawistisch und traditionalistisch ist. Dann gibt es noch eine Partei junger Bolschewiken namens Vzdor (Widerstand). Abgesehen davon gibt es noch die »Fortschrittliche Slowakei«, aber die hat neoliberale Wirtschaftsvorstellungen. Die Smer-SD und vor allem Robert Fico dominieren weiterhin die Linke. Generell sind die Diskurse in der Linken kommunitaristisch und patriotisch, nicht individualistisch und kosmopolitisch.
Erschienen in: junge Welt, 22.03.2018.