Berlin setzt auf Oligarchen
Moldau: Bundesregierung hält sich mit Kritik an fragwürdigen »proeuropäischen« Kräften zurück
Der deutschen Bundesregierung scheint im Ringen mit Moskau um Einfluss in Osteuropa jedes Mittel recht. So hat Berlin offiziell keine Probleme damit, wie Premierminister Pavel Filip vergangenes Jahr in der Republik Moldau ins Amt gekommen ist (jW berichtete). Das geht aus der vor einer Woche veröffentlichten Antwort auf eine kleine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag hervor. Filip ist ein enger Vertrauter von Vladimir Plahotniuc, dem reichsten Oligarchen des bettelarmen Landes zwischen Rumänien und der Ukraine.
Letzterer kaufte im Sommer 2015 sich und der von ihm geführten »Demokratischen Partei« eine Mehrheit im Parlament zusammen und inthronisierte seinen Intimus als Premierminister – aber nur, da der damals noch amtierende liberale Präsident Nicolae Timofti nicht Plahotniuc selbst zum Regierungschef ernennen wollte. Die Stimmung in Chisinau war zu diesem Zeitpunkt schon seit einigen Monaten gespannt. Doch als Filip am 20. Januar 2016 gewählt wurde, stürmten aufgebrachte Demonstranten das Parlament. Der neue Premier musste an jenem Tag auf dem Landsitz des Präsidenten vereidigt werden, nachdem die Parlamentarier in Polizeiuniformen aus dem Parlament geflüchtet waren. Für die deutsche Regierung kein Problem: »Mit parlamentarischer Mehrheit wurde Pavel Filip am 20. Januar 2016 als Ministerpräsident bestätigt«, erklärt die Bundesregierung in ihrer Antwort – so, als ob es denn an jenem Tag verfassungsmäßig zugegangen wäre.
Berlin setzt auch weiterhin auf die »Demokratische Partei« und ihre Regierung. Allerdings mehren sich die Stimmen, die den Assoziierungsprozess mit der EU für die Republik Moldau als gescheitert betrachten. Dies behauptete etwa die neokonservative US-Stiftung Jamestown Foundation bereits in einem über ihre Homepage veröffentlichten Artikel vom 26. April 2016. Kritiker monieren, die »Demokraten« seien eigentlich auf Neutralität bedacht, wollten ihr Land zwischen Ost und West positionieren und würden den klaren Pro-EU-Kurs daher nur pro forma verfolgen. Die Bundesregierung teilt diese Ansicht wohl nicht. Das Reformtempo habe sich in den Jahren 2015 und 2016 lediglich verlangsamt, heißt es in der Antwort auf die kleine Anfrage.
»Die Bundesregierung setzt offensichtlich auf den Oligarchen Plahotniuc als letzte Bastion gegen die Sozialistische Partei des neuen Präsidenten Dodon«, kommentierte dazu Andrej Hunko von der Linksfraktion. Igor Dodon hatte im vergangenen November die Direktwahl als Präsident gewonnen, obwohl die CDU-dominierte Europäische Volkspartei (EVP) und Oligarch Plahotniuc auf die neoliberale Pro-EU-Politikerin Maia Sandu gesetzt hatten. Die EVP hatte Wahlkampfmitarbeiter nach Chisinau geschickt, obwohl Sandus Partei nicht Mitglied dieser EU-Parteienfamilie ist.
Angesichts des Umstandes, dass unter dem Deckmantel der Pro-EU-Außenpolitik die Oligarchen die Republik Moldau übernommen haben, kippte in den vergangenen Jahren die öffentliche Meinung in dem Land. Eine Mehrheit strebt laut Umfragen derzeit den Beitritt zur Eurasischen Wirtschaftsunion an, der unter anderem Russland und Belarus angehören. Für die Bundesregierung kein Problem: Die EU arbeite daran, »gegenüber der moldauischen Öffentlichkeit die Unterstützung durch EU und Mitgliedsstaaten und die Chancen der Umsetzung des Assoziierungsabkommens noch besser kenntlich zu machen«. Von Fehleranalyse keine Spur. »Nachdem die EU mit ihrem Expansionskurs schon in der Ukraine gescheitert ist, sind Berlin und Brüssel nun drauf und dran, die gleichen Fehler in der Republik Moldau zu machen«, erläutert dazu Hunko.
Auch militärisch schreitet die Westanbindung des kleinen Landes voran, obwohl in der Verfassung der Republik Moldau die Neutralität des Landes verankert ist. Im Rahmen einer »Ertüchtigungsinitiative« des NATO-Bündnisses haben die entsprechenden Stellen laut Bundesregierung in Brüssel »im Juni 2015 ein Maßnahmenpaket für die Republik Moldau beschlossen, das unter anderem Beratung bei der Nationalen Sicherheitsstrategie sowie langfristig Unterstützung bei der Streitkräftereform vorsieht«.
Erschienen in: junge Welt, 29.03.2017.