Regierungschef der Slowakei wird seinen Prinzipien untreu – Erzwungener Rechtsschwenk auf dem Höhepunkt der Popularität
Die slowakische linkssozialdemokratische Regierung könnte aufgrund einer »Schuldenbremse« genötigt werden, entgegen früheren Aussagen die Telekom des Landes zu privatisieren.
Politisch könnte es derzeit für Robert Fico, den sozialdemokratischen Regierungschef der Slowakei, kaum besser laufen. Die liberale und konservative Opposition zerlegt sich teilweise selbst und altgediente und neue Kräfte jenseits der Sozialdemokratie dümpeln laut Umfragen alle zwischen fünf und zehn Prozent Unterstützung. Während Ficos sozialdemokratische SMER-SD mit ihren derzeitigen 44 Prozent bei den allerdings erst 2016 anstehenden Wahlen die absolute Mehrheit gewinnen würde, käme die christlich-demokratische KDH gerade einmal auf neun Prozent. Andere liberalkonservative Kräfte und die ungarische Versöhnungspartei Most-Híd stehen derzeit bei sieben Prozent. Die radikalneoliberale SaS und die liberal-konservative SDKU-SD, die die früheren Regierungschefs Mikuláš Dzurinda und Iveta Radicová stellte, könnten sogar an der Fünfprozenthürde scheitern.
An Premier Fico und seiner SMER perlen derzeit sogar kleinere Skandale ab. So wirft die Opposition dem Verteidigungsminister vor, Korruptionsermittlungen zu verschleppen. Fico dagegen gilt weiter als vertrauenswürdigster Politiker des Landes und bei Umfragen, wer Präsident werden sollte, gewinnt er deutlich, ohne dass er eine Kandidatur öffentlich angekündigt hätte.
Doch die Lage im Land selbst sieht nicht so rosig aus. Die Arbeitslosigkeit verharrt bei 14 Prozent auf hohem Niveau, mit über 30 Prozent hat die Slowakei in der EU die sechsthöchste Jugendarbeitslosigkeit. Als sei das nicht genug, kommt jetzt noch ein künstlich erzeugtes Problem hinzu: Die Opposition warnt, dass die 2011 von Liberalen und Konservativen eingeführte Schuldenbremse bald greifen könnte. Die SMER hatte der Austeritätsverpflichtung seinerzeit nach massivem Druck aus den Medien und dem liberalen Lager zugestimmt. Nun drohen automatisch einsetzende dreiprozentige Etatkürzungen – und die Fico-Regierung sucht nach einem Ausweg.
Wie jüngst bekannt wurde, verhandelt die Regierung in Bratislava mit der Deutschen Telekom über den Verkauf der 49-prozentigen Staatsbeteiligung an der slowakischen Telekom. Das Unternehmen Slovak Telekom hatte im vergangenen Jahr Einnahmeeinbußen von sechs Prozent zu verkraften und erwirtschaftete nur noch 62 Millionen Euro Gewinn. Davon sah der Fiskus in Bratislava jedoch nichts, da sich die Deutsche Telekom als Inhaber der Aktienmehrheit seit Jahren weigert, dem slowakischen Minderheitseigner den Dividendenanteil auszuzahlen – eine Praxis, die in Deutschland illegal wäre. Durch den Verkauf seiner Anteile könnte der slowakische Staat jedoch kurzfristig an eine Milliarde Euro gelangen. Die SMER hatte sowohl in ihrer ersten Regierungsperiode ab 2006 als auch nach der neuerlichen Amtsübernahme 2012 alle auf nationaler Ebene laufenden Vorhaben der Entstaatlichung gestoppt. Wegen der Schuldenbremse könnte es mit dieser Prinzipientreue bald vorbei sein. Der Verkauf der Telekom-Anteile wäre ein deutlicher Rechtsschwenk. Vergangenes Jahr noch sorgte Premier Fico für Aufsehen mit seinem Plan, eine einheitliche staatliche Krankenversicherung zu schaffen und dafür notfalls die derzeit am »Gesundheitsmarkt« operierenden beiden großen privaten Konzerne zu verstaatlichen. Doch auch von diesen Plänen hört man schon lange nichts mehr. Offiziell ist der Schritt ins Jahr 2014 verschoben.
Erschienen in: Neues Deutschland, 29.07.2013.