»Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht.« — Václav Havel
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David X. Noack

Kritische Perspektiven auf Geschichte und internationale Politik

Einflussarbeit in der Ex-Kolonie

Deutschland setzt im Einflusskampf mit China auf Covid-19-Hilfen in Papua-Neuguinea, einer einstigen deutschen Kolonie („Kaiser-Wilhelms-Land“).

Im Einflusskampf mit China stärkt die Bundesrepublik ihre Stellung im strategisch wichtig gelegenen Papua-Neuguinea mit Hilfen im Kampf gegen die Covid-19-Pandemie. Die Johanniter-Unfall-Hilfe, ein Partner der deutschen Außenpolitik, hat unlängst eine Gruppe von Medizinern und Krankenschwestern in das ozeanische Land entsandt, um das dortige Gesundheitssystem, das aktuell unter einem Anstieg schwerer Verläufe bei Covid-19-Erkrankungen ächzt, zu unterstützen. Die Maßnahme geht mit weiteren Einflussbemühungen Deutschlands und anderer westlicher Staaten einher, die den wachsenden wirtschaftlichen Einfluss Chinas auszuhebeln suchen. Die USA etwa wollen die Marinebasis Lombrum auf der zu Papua-Neuguinea gehörenden Insel Manus ausbauen. Papua-Neuguinea liegt strategisch wichtig an Seehandelswegen aus Australien in den Pazifik. Der Norden des Landes war bis zum Ersten Weltkrieg eine deutsche Kolonie. Die Aktivitäten der deutschen Kolonialmacht wirken bis in die Gegenwart fort; die Bundesregierung knüpft an koloniale Traditionen, etwa die Missionsarbeit, an.

Pandemiebekämpfung
Wie die Johanniter-Unfall-Hilfe kürzlich bekanntgab, hat sie eine siebenköpfige deutsche Gruppe von Medizinern und Krankenschwestern nach Papua-Neuguinea entsandt. Der flächenmäßig drittgrößte Inselstaat der Welt verzeichnet seit Februar einen starken Anstieg schwerer Verläufe bei Covid-19-Erkrankungen. Das deutsche Team soll dem lokalen Gesundheitssystem nun medizinische Hilfe leisten. Der internationale Flügel der deutschen Johanniter-Unfall-Hilfe, die Johanniter-Auslandshilfe, ist eine Partnerorganisation der St John Ambulance, des größten Betreibers von Krankenhäusern in Papua-Neuguinea.[1] Die humanitären Aktivitäten kommen nicht von ungefähr: Sie reihen sich in deutsche Bemühungen um größeren Einfluss im Westpazifik ein.

Teil der Indo-Pazifik-Strategie
Papua-Neuguinea mit seinen 8,8 Millionen Einwohnern liegt strategisch wichtig an Seehandelsrouten von Australien in den Pazifik. Im Jahr 2018 kündigte der damalige US-Vizepräsident Mike Pence auf dem APEC-Gipfel in der Hauptstadt Papua-Neuguineas, Port Moresby, an, die Vereinigten Staaten wollten in Kooperation mit Australien und Papua-Neuguinea die Marinebasis Lombrum auf der Insel Manus ausbauen.[2] Die damit implizierte Einbindung des Inselstaats in die Militärallianz ANZUS (Australien, Neuseeland, USA) stellt eine Abkehr Papua-Neuguineas von der Blockfreiheit dar; der Staat ist seit 1993 Mitglied der Blockfreienbewegung.[3] Während Australien und die USA darauf bauen, ihren Einfluss in Ozeanien sowohl militärisch als auch wirtschaftlich zu konsolidieren oder sogar auszubauen, suchte Deutschland seine Stellung dort in den vergangenen Jahren vor allem politisch, kulturell, diplomatisch und durch Entwicklungshilfe zu stärken.[4]

Schwache Beziehungen
Dies liegt auch daran, dass die Bundesrepublik keinen nennenswerten Wirtschaftsaustausch mit Papua-Neuguinea unterhält. Wie die Außenhandelsagentur Germany Trade & Invest (gtai) konstatiert, sind die Wirtschaftsbeziehungen derzeit recht schwach: Im Jahr 2019 importierte die Bundesrepublik Waren aus Papua-Neuguinea im Wert von gerade einmal 95 Millionen Euro – vor allem Kupfererz, Thunfisch, Kaffee und Gewürze – und exportierte Güter im Wert von sogar nur 7,6 Millionen Euro, vor allem Maschinen.[5] Im vergangenen Jahrzehnt gab es zaghafte Versuche der Regierungen und Parlamente in Berlin und Port Moresby, die Beziehungen zueinander auszubauen. So plante Papua-Neuguinea, eine diplomatische Vertretung in Deutschland zu eröffnen; bisher ist es dazu jedoch noch nicht gekommen.[6] Seit 2013 ist der Staat in der Bundesrepublik immerhin durch einen Honorarkonsul vertreten.[7] Berlin hingegen ist derzeit nur indirekt über eine Mission der EU in Port Moresby präsent. Im März 2019 besuchte erstmals eine Delegation des Deutschen Bundestages den Inselstaat. Die Parlamentarier trafen dort unter anderem den Außenminister und besichtigten deutsch finanzierte Projekte [8] sowie ein Flüssiggasterminal [9]. Papua-Neuguinea exportiert seit 2014 Flüssiggas (LNG, Liquefied Natural Gas).

Erste Hochphase
Vor einigen Jahrzehnten besaß die damalige Bundesrepublik erheblich größeren Einfluss in Papua-Neuguinea. Das Land hatte unmittelbar nach seiner Unabhängigkeit im Jahr 1975 seine Beziehungen mit Bonn ausgebaut; angesichts angespannter Beziehungen mit Australien forcierte die damalige Regierung in Port Moresby den Handel mit der Bundesrepublik. Umgekehrt wertete Bonn seine diplomatische Vertretung zu einer Botschaft auf; die CSU-nahe Hanns-Seidel-Stiftung nahm 1978 erste Aktivitäten in dem Land auf.[10] Der bundesdeutsche Exportmarkt wurde für Papua-Neuguinea zeitweise sogar wichtiger als der australische.[11] Im Verlauf der 1980er Jahre gingen 40 Prozent der papua-neuguineischen Exporte in die damalige EG, die meisten davon in die Bundesrepublik.[12] Erst als Australien seine Beziehungen mit Papua-Neuguinea in den 1990er Jahren massiv ausbaute, geriet Deutschland ins Hintertreffen; im Jahr 2000 schloss Berlin seine Botschaft in Port Moresby.[13]

Bürgerkrieg und Sezession
Während der deutsche Einfluss in Papua-Neuguinea schwand, versank die zu dem Land gehörende Insel Bougainville von 1989 bis 1997 in einem Bürgerkrieg mit den blutigsten Kämpfen im Pazifik seit dem Zweiten Weltkrieg. Seit dem Ende der Kampfhandlungen finanziert die Bundesregierung Projekte in der Region über das UN-Geflüchtetenhilfswerk UNDP.[14] Im Jahr 2005 wurde die Provinz Bougainville autonom; im Jahr 2019 sprach sich eine erdrückende Mehrheit (98 Prozent bei einer Wahlbeteiligung von 88 Prozent) in einem nicht bindenden Referendum für die Abspaltung von Papua-Neuguinea aus. Die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag forderte daraufhin, die Bundesrepublik müsse „einen signifikanten personellen, finanziellen und beratenden Beitrag“ für den Staatsaufbau in Bougainville leisten. In einem ersten Schritt solle die „Eröffnung einer deutschen Vertretung vor Ort“ erfolgen.[15]

Missionare in Kaiser-Wilhelms-Land
Seine ersten Spuren auf Papua-Neuguinea hat Berlin als Kolonialmacht hinterlassen. 1885 erhob das Deutsche Reich Anspruch auf den Norden des Landes und die vorgelagerten Inseln unter den Namen „Kaiser-Wilhelms-Land“ bzw. „Bismarck-Archipel“. Unmittelbar begannen damals verschiedene deutsche Missionsgesellschaften mit der Missionierung der Bevölkerung, ab 1886 beispielsweise die protestantische Neuendettelsauer Mission, ab 1895 die katholischen Steyler Missionare.[16] Auch nachdem Australien 1914 die Kolonie übernahm, blieben deutsche Missionare dort aktiv. Im Jahr 1980 gründeten deutsche Katholiken die Divine Word University in Madang, dem ehemaligen Friedrich-Wilhelmshafen. Das Auswärtige Amt finanziert derzeit die Digitalisierung deutschsprachiger Bücher in der dortigen Universitätsbibliothek.[17] Deutsche Missionare sind bis heute in Papua-Neuguinea aktiv, dessen Bevölkerung zu 98 Prozent christlich ist. Seit 2011 gibt es einen deutschen lutherischen Jugendaustausch mit einer Gemeinde in Morobe, der bevölkerungsreichsten Provinz des Landes.[18] Einige kirchliche Entwicklungsprojekte in Papua-Neuguinea werden zum Teil mit Bundesmitteln unterstützt.[19]

Männerorden mit Tradition
Die nun entsandte Gruppe von Medizinern und Krankenschwestern gehört der 1952 gegründeten Johanniter-Unfall-Hilfe an, die zum evangelischen Johanniterorden zählt. Dieser nach dem Zweiten Weltkrieg neu organisierte Männerbund, der sich auf eine fast tausendjährige Geschichte beruft, umfasst derzeit rund 4.100 Mitglieder. Frauen ist allenfalls eine Ehrenmitgliedschaft, aber keine ordentliche Mitgliedschaft erlaubt. Den Neuaufbau des Ordens nach 1945 hatte Oskar von Preußen übernommen, ein Sohn des letzten deutschen Kaisers. Nach seinem Tod übernahmen erst sein Sohn, nach dessen Rückzug aus der Politik wiederum sein gleichnamiger Enkel die Leitung des Ordens; Letzterer führt ihn seit 1999 als sogenannter Herrenmeister an. Bereits 1961 hat sich der evangelische Johanniterorden mit dem katholischen Malteserorden – einem noch engeren Partner der deutschen Außenpolitik [20] – zu einer Allianz zusammengeschlossen.

[1] Johanniter entsenden medizinisches Team nach Papua Neuguinea. johanniter.de 08.04.2021. Rebecca Kuku: Papua New Guinea ambulance service given no money in budget. theguardian.com 07.12.2020.
[2] S. dazu Die Indo-Pazifik-Strategie.
[3] Patrick Kaiku: Non-Aligned Amid Great Power Rivalry? The Case of Papua New Guinea. thediplomat.com 08.11.2018.
[4] S. dazu Einflusskämpfe im Westpazifik (II).
[5] Wirtschaftsdaten kompakt – Papua-Neuguinea. gtai.de 12.12.2019.
[6] Stewart Firth: Security in Papua New Guinea: The Military and Diplomatic Dimensions, in: Security Challenges, Jg. 10 (2014), Nr. 2, S. 97-114 (hier: S. 108). Vertretungen Papua-Neuguinea. auswaertiges-amt.de (ohne Datum).
[7] Die Südsee lockt mit Gold und Kaffee. nordkurier.de 03.12.2013.
[8] Jeffrey Elapa: German lawmakers‘ visit reminds leaders of shared history. thenational.com.pg 01.03.2019.
[9] German Bundestag Delegation Visit Parliament House. postcourier.com.pg 01.03.2019.
[10] Edward P. Wolfers: Papua New Guinea in 1980: A Change of Government, Aid, and Foreign Relations, in: Asian Survey, Jg. 21 (1981), Nr. 2, S. 274-284 (hier: S. 282). Süd- und Südostasien. hss.de (ohne Datum).
[11] P. A. S. Dahanayake: Post-independence Economic Development of Papua New Guinea, Boroko 1982, S. 121.
[12] John Dademo Waiko: A Short History of Papua New Guinea, Melbourne 1993, S. 202.
[13] Christoph Hein: Der alte Mann und die Ananas. faz.net 08.05.2017.
[14] Deutschland und Papua-Neuguinea: Bilaterale Beziehungen. auswaertiges-amt.de 11.09.2020.
[15] Ottmar von Holtz: Neuer Präsident in Bougainville (Papua-Neuguinea): Deutschland muss Unabhängigkeitsprozess mehr unterstützen. gruene-bundestag.de 23.09.2020.
[16] Paul Steffen: Missionsbeginn in Neuguinea – Die Anfänge der Rheinischen, Neuendettelsauer und Steyler Missionsarbeit in Neuguinea, Nettetal 1995.
[17] Deutschland und Papua-Neuguinea: Bilaterale Beziehungen. auswaertiges-amt.de 11.09.2020.
[18] Lutheran youths set for exchange trip to Germany. thenational.com.pg 18.08.2017.
[19] Deutschland und Papua-Neuguinea: Bilaterale Beziehungen. auswaertiges-amt.de 11.09.2020.
[20] Der „Souveräne Malteser-Ritter-Orden“: Kein Staatsgebiet, aber Regierung. apd.info 05.07.2008. S. dazu Deutschlands Partnerorden.

Erschienen auf german-foreign-policy.com, 26.04.2021.
Artikel bei GFP erscheinen im Rahmen einer Redaktionsarbeit und sind nicht als Autorenartikel zu sehen.

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  1. Die „deutsche Fraktion“ der Malteser | David X. Noack:

    […] S. dazu Einflussarbeit in der Ex-Kolonie. [2] Matthias Rüb: Das Finale im Kampf um den Malteserorden. Frankfurter Allgemeine Zeitung […]

    --1. Februar 2022 @ 19:05

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