Putsch unter Aufsicht
Vor 50 Jahren stürzte Qabus Ibn Said mit britischer Hilfe seinen Vater, den Sultan des Oman. Ziel war eine effektivere Aufstandsbekämpfung
Das Abhängigkeitsverhältnis des Oman mit Großbritannien begann bereits im Jahr 1798. Damals schlossen – im Schatten der Napoleonischen Kriege – Vertreter beider Länder ihren ersten Handelsvertrag. Der Oman zu dieser Zeit eine der bedeutendsten Seemächte des Indischen Ozeans. Der Handel der sich immer weiter ausbreitenden britischen Ostindienkompanie mit dem Mutterland setzte gute Beziehungen Londons mit dem Sultan von Maskat voraus. Die Briten dominierten mehr und mehr Politik, Wirtschaft und Militär des Sultanats. Mit der Zeit spalteten sie die afrikanischen Gebiete ab, der Oman beschränkte sich anderthalb Jahrhunderte später lediglich auf ein Gebiet ganz im Osten der Arabischen Halbinsel. Bis 1958 gehörte noch die größte Hafenstadt Belutschistans, Gwadar, zum Oman – doch diese ging dann an Pakistan.
Bereits 1951 erkannte London die Regierung in der Hauptstadt Maskat durch einen Freundschaftsvertrag formal als unabhängig an. Am Verhältnis beider Länder änderte sich aber wenig. Der Oman blieb ein isoliertes Land mit schlechten Beziehungen zu den arabischen Nachbarn. Der Herrscher des Oman, Said Ibn Taimur Al Said (Sultan von 1932 bis 1970), pflegte exklusive Beziehungen zur vormaligen Kolonialmacht und wähnte sein Land dem indischen Subkontinent zugehörig. Das Offizierskorps der Streitkräfte bestand sogar aus Briten, da der reaktionäre Sultan befürchtete, dass einheimische Offiziere ihn stürzen könnten. Ein großer Teil der Armee wiederum bestand aus in Südpakistan rekrutierten belutschischen Soldaten. Die Verwaltung in Maskat stellten auch hauptsächlich Pakistaner – wegen des fehlenden Bildungssystems im Oman.
Entstehung der Rebellion
Sultan Said Ibn Taimur regierte mit eiserner Hand und zeigte kein Interesse an einer wirtschaftlichen Entwicklung seines Landes. Noch Ende der 1960er Jahre lebte ein Großteil der Bevölkerung von Subsistenzwirtschaft. Es gab im gesamten Land kaum Straßen, nur drei Grundschulen und gerade einmal ein Krankenhaus – bei einer Bevölkerung von einer Million Menschen. Zeitungen, Radiostationen und Fernsehsender waren verboten, ausländische Pressevertreter durften nicht ins Land. Die Erträge des Öls – gefördert von einer Tochtergesellschaft der britisch-niederländischen Firma Shell – kamen ausschließlich dem Sultan zugute. Infolge der katastrophalen Zustände im Land reisten Tausende verarmte Omaner in andere arabische Staaten aus und arbeiteten dort vor allem als Ölarbeiter und im Sicherheitsgewerbe.
Inspiriert von arabisch-nationalistischen, baathistischen und marxistischen Ideen begründeten dhofarische Linke und Nationalisten 1965 die Dhofar-Befreiungsfront (DLF). Diese südomanische Region unterschied sich historisch, kulturell und sprachlich von den anderen im Oman. Der DLF gelang es, große Teile der Region zu befreien, wo sie dann die Alphabetisierung und Frauenbefreiung vorantrieben. Besonders letzteres stieß bei vielen Traditionalisten auf Widerstand.
1968 übernahmen die Linken die DLF und benannten sie in »Volksfront für die Befreiung des besetzten Arabischen Golfs« (PFLOAG) um. Diese erhielt Unterstützung von einer Reihe von Staaten – unter anderem der DDR und des sozialistischen Südjemens. Als eine baathistische Splittergruppe im Sommer 1970 begann, Truppen des Sultans im Norden anzugreifen, dämmerte es britischen Militärs und Diplomaten in Maskat, dass Sultan Said Ibn Taimur nicht mehr zu halten sei. Offiziere der britischen Truppen im Land kontaktierten daher den Sohn des Sultans, Qabus Ibn Said, von dem sich die Briten eine Modernisierung des Landes und das Fortbestehen ihres starken Einflusses erhofften. Qabus hatte bereits 1963 im ostwestfälischen Minden in einer schottischen Infanterieeinheit gedient.
Am 23. Juli 1970 befahlen britische Offiziere der Armee, für Qabus zu putschen. Um den Anschein einer inneren Angelegenheit zu wahren wurden arabische Soldaten vorgeschickt. Sultan Said Ibn Taimur wehrte sich noch mit einer Pistole, schoss sich dabei aber aus Versehen in den Fuß und unterschrieb, nachdem er aufgegeben hatte, auch die Abdankungserklärung. Die britische Luftwaffe flog ihn über Bahrain nach London aus. Dort lebte er noch zwei Jahre bis zu seinem Tod luxuriös im Dorchester-Hotel.
Im Oman selbst bestimmte der gerade einmal 29jährige neue Sultan einen neuen Kurs in der Innen- und Außenpolitik sowie der Aufstandsbekämpfung. Im Kampf gegen die PFLOAG heuerte Qabus Truppen aus Jordanien und den Vereinigten Arabischen Emiraten an. Außerdem lud er Soldaten aus dem Iran ein, zu dessen Schah Maskat gute Beziehungen pflegte. Gemeinsam mit britischen Spezialeinheiten kämpfte diese Allianz fortan gegen die PFLOAG und errichtete schrittweise Außenposten entlang dreier Linien quer durch Dhofar. Dhofaris erhielten die Möglichkeit, in den sultanischen Streitkräften zu dienen. Mit der neuen Strategie zur Bekämpfung der PFLOAG ging eine grundlegende Modernisierung des Landes einher: Schulen, Krankenhäuser sowie Moscheen wurden gebaut, die Elektrifizierung des Landes forciert und bei den Außenposten Brunnen gebohrt, die die Einheimischen frei nutzen konnten. Außerdem errichteten die Truppen der britisch geführten Allianz überall im Land Flugplätze für die Luftwaffe. Einige Exkader der DLF bekannten sich zum Sultan, da sie meinten, die ursprünglichen Ziele der Rebellion seien erreicht.
Bereits zwei Jahre später kam die militärische Wende in der Dhofar-Rebellion. In der Schlacht von Mirbat am Arabischen Meer besiegten britische Spezialeinheiten und omanische Soldaten mehr als 250 Rebellen der PFLOAG, die sich von dieser Niederlage nicht mehr erholen sollte. 1974 spaltete sich die PFLOAG in einen in Bahrain ansässigen Flügel (PFLB) und einen anderen im Oman (PFLO). Letzterem gelang es nicht mehr, die Initiative zurückzugewinnen, ohne Massenbasis hatte die PFLO keine Chance für die anvisierte Revolution. Im Frühjahr 1976 war die Dhofar-Rebellion beendet. Die iranischen, jordanischen und VAE-Soldaten zogen wieder ab.
Die Briten und Omaner gewannen einerseits durch ihre überlegene Militärmacht, andererseits durch eine Modernisierungskampagne zur Gewinnung der »Herzen und Köpfe« der Bevölkerung, die das Land langfristig prägte. Qabus Ibn Said herrschte bis zu seinem Tod im Januar dieses Jahres. Mit 49 Jahren Amtszeit war er der am längsten herrschende Staatschef in der arabischen Welt.
Erschienen in: junge Welt, 18.07.2020.