»Wir suchen immer neue Wege«
Sehr geehrter Herr Außenminister, Sie waren gerade einmal 16 Jahre alt, als Sie erstmals für den auswärtigen Dienst Ihres Landes im Vertretungsbüro in der russischen Teilrepublik Baschkortostan arbeiteten. Wollten Sie schon immer Außenminister werden?
Während des Krieges gegen Georgien (1992/1993, jW) half ich in meiner Heimat bei der Versorgung von Kriegsverletzten. Damals war ich erst zwölf Jahre alt und träumte davon, Arzt zu werden. Zunächst studierte ich jedoch Jura, später interessierte ich mich mehr für politische Zusammenhänge und ging dann in die Politik.
Im Jahr 2006 sagte der damalige Präsident Sergej Bagapsch, dass Abchasien in einem »europäischen Haus« leben wolle und sein Land Offenheit sowie Dialog von der Europäischen Union verlange. Im Jahr 2015 wiederum lehnte die abchasische Regierung die Eröffnung eines Vertretungsbüros der EU in Abchasien ab. Wie sind derzeit die Beziehungen zwischen der Union und Abchasien?
Es gab damals kein offizielles Ersuchen der EU, solch ein Büro zu eröffnen. Die EU-Beobachtungsmission EUMM, die die abchasische Grenze zu Georgien überwacht, wollte ein Außenbüro in Abchasien einrichten, um angeblich die politische Lage zu beobachten. Das lehnten wir in dieser Form ab. Wir schotten uns aber nicht von der Außenwelt ab, wie oft behauptet wird. Es arbeiten insgesamt 15 internationale Nichtregierungsorganisationen in Abchasien. Wir versuchen, immer neue Wege zu eröffnen, damit die Außenwelt Beziehungen mit Abchasien aufnehmen kann.
Seit 2008 erhalten junge Abchasen keine russischen Pässe mehr, doch im vergangenen Jahr hat die EU das Erasmus-Studierendenprogramm für abchasische Studierende eröffnet. Wie können diese nach Westeuropa reisen, um von »Erasmus« profitieren zu können?
Diese Angelegenheit besprechen wir bei den »Internationalen Genfer Gesprächen« zur Konfliktlösung. Es gab schon Präzedenzfälle, in denen Studierende von nicht allgemein anerkannten Staaten in die EU und sogar die USA reisen konnten. Im Jahr 2005 durften beispielsweise junge Menschen aus Abchasien auf Einladung der US-Entwicklungshilfeorganisation USAID in die USA reisen – mit sowjetischen Pässen! Wir wollen, dass alle unsere Kinder die beste Bildung erhalten, die sie kriegen können und deswegen arbeiten wir daran, dass die abchasischen Pässe als Reisedokumente anerkannt werden. Es ist eine rein humanitäre Angelegenheit.
Im Juli dieses Jahres verabschiedete Ihre Regierung eine Reihe von Beschlüssen zur Eröffnung des Flughafens von Aqwa. Wann rechnen Sie mit einer Eröffnung?
Wir arbeiten schon lange daran, den Flughafen wiederzueröffnen. Jüngst beschloss unsere Regierung, eine russische Kennung bei der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation ICAO zu beantragen. Das soll dann erst einmal als Übergangslösung dienen, damit wir zumindest mit Flügen nach Russland beginnen können. Später wollen wir selbstverständlich noch andere Ziele ansteuern. Georgien wird versuchen, das zu blockieren.
Laut der Onlineausgabe des Magazins New Eastern Europe erhielt die abchasische Regierung jüngst ein Angebot, dass 3.000 chinesische Gastarbeiter ins Land kommen könnten, um Infrastrukturprojekte zu verwirklichen. Ihre Regierung lehnte das aber angeblich ab. Was waren die Gründe für die Ablehnung?
Davon habe ich noch nie gehört. Da müssen Sie mir mal den Link zuschicken. Es werden viele Unwahrheiten über unser Land verbreitet.
Sie waren zuletzt viel unterwegs, unter anderem besuchten Sie Nicaragua und den Pazifikinselstaat Nauru. Wohin – abgesehen von Russland – führt die nächste Reise?
Als erstes geht es in die Schweiz zu den nächsten Genfer Gesprächen. Wohin es danach geht, kann ich nicht sagen. Die internationalen Beziehungen sind in ständiger Bewegung. Aber eins weiß ich: Nach Deutschland kann ich nicht reisen.
Wieso das nicht? Minister aus Transnistrien sind ständig da.
Das weiß ich nicht. Ich habe seit 2017 eine Einschränkung in meinem Schengen-Visum. Seitdem darf ich nicht mehr in eine Reihe von EU-Staaten reisen, darunter Deutschland, Polen und Österreich. Keine Ahnung, warum man das so gemacht hat.
Erschienen in: junge Welt, 12.10.2019.