Mehr Macht am Golf
Mit den aktuellen Überlegungen zur Stationierung deutscher Kampfjets in Kuwait knüpft Berlin an den systematischen Ausbau seiner Stellung in dem mittelöstlichen Emirat an. Zwar ist noch unklar, ob die Bundeswehr-Tornados, die sich am Krieg gegen den IS beteiligen, tatsächlich von der türkischen Luftwaffenbasis Incirlik abgezogen und wo sie gegebenenfalls ersatzweise in Stellung gebracht werden. In Frage kommen auch das Königreich Jordanien oder die britische Kolonie auf Zypern (Akrotiri und Dekelia). Kuwait böte sich an, weil die Bundesregierung ohnehin seit einiger Zeit ihre Zusammenarbeit mit dem Emirat intensiviert – nicht nur auf allgemein ökonomischer Ebene, auch bei Waffenlieferungen. Mit einer größeren Militärpräsenz in Kuwait würden die deutsch-kuwaitischen Beziehungen auf ein neues Niveau gehievt. Zugleich erhielte die Bundeswehr ein neues militärisches Standbein direkt am Persischen Golf. Bislang sind in der Region mit ihren Streitkräften vor allem die Vereinigten Staaten, Großbritannien und Frankreich präsent.
Operationsbasis gegen den IS
Die deutschen Mehrzweckkampfflugzeuge vom Typ Tornado, deren Verlegung aktuell im Gespräch ist, sind Ende 2015 im Rahmen der deutschen Beteiligung an der Bombardierung von Stellungen des IS in Syrien in das südtürkische Incirlik verlegt worden. Die internationale Operationsbasis für den Einsatz, der durch kein UN-Mandat gedeckt ist, befindet sich jedoch im südkuwaitischen Camp Arifjan, einem Stützpunkt der US-Streitkräfte. Um die Koordination zwischen den deutschen Tornados und den Operationen anderer Truppen aus der Anti-IS-Koalition zu gewährleisten, hat die Bundeswehr sieben Offiziere nach Camp Arifjan verlegt. Sie schreibt dazu: „Erfolge müssen geplant werden“.[1] Aufgrund der aktuellen deutsch-türkischen Spannungen wird derzeit allerdings überlegt, für die Tornados eine neue Einsatzbasis im Mittleren Osten einzurichten. Einer der möglichen neuen Standorte befindet sich in Kuwait.[2] Mit einem dauerhaften größeren Militäreinsatz Deutschlands in dem mittelöstlichen Land würden die deutsch-kuwaitischen Beziehungen auf eine neue Stufe gestellt.
Einsatz ohne UN-Mandat
Dabei wäre es nicht das erste Mal, dass die Bundeswehr größere Truppenverbände nach Kuwait verlegt. Als im Jahr 2002 die US-Regierung dazu überging, den völkerrechtswidrigen Angriff auf den Irak vorzubereiten, stationierte die Bundeswehr eine ABC-Abwehreinheit mit bis zu 250 ABC-Abwehrsoldaten und sechs ABC-Spürpanzern des Typs Fuchs in Kuwait, um die westlichen Truppen vor möglichen irakischen Gegenschlägen zu schützen.[3] In der Phase unmittelbar vor dem US-Einmarsch gab es außerdem Gerüchte, dass Elitesoldaten des Kommando Spezialkräfte (KSK) in Kuwait Übungen durchführten.[4] Die deutschen Truppen in dem Golf-Emirat konnten sich dabei nicht auf eine Mandatierung durch die Vereinten Nationen verlassen, sondern waren im Rahmen der US-Antiterroroperation „Enduring Freedom“ in das Krisengebiet geschickt worden.
Rüstungsexporte
Neben der direkten Präsenz der Bundeswehr kooperieren der mittelöstliche Staat und die Bundesrepublik schon seit mehreren Jahren auch auf dem Rüstungssektor. Seit einem Jahrzehnt exportiert die Bundesrepublik immer wieder Rüstungsgüter nach Kuwait, vor allem Maschinenpistolen. Im Jahr 2014 präsentierten deutsche Waffenschmieden in dem Emirat zu Vorführzwecken den Radpanzer Boxer.[5] Zwei Jahre später stimmte der Bundessicherheitsrat dem Export eines Transportpanzers Fuchs 2 nach Kuwait „zu Testzwecken“ zu.[6] Laut dem aktuellsten verfügbaren Rüstungsexportbericht der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) gehört das mittelöstliche Emirat zu den „gro?ßten Abnehmern deutscher Ru?stungsgu?ter“.[7]
Hochrangige Besuche
Seit mehreren Jahren häufen sich zudem die hochrangigen Besuche aus Deutschland in Kuwait – ein Ausdruck der Bemühungen, die politischen Beziehungen zwischen beiden Ländern zu intensivieren. Im Oktober 2015 besuchte der damalige Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) das Emirat, im Februar 2016 folgte eine Delegation des Bundestages unter Leitung von Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU). Im Januar 2017 wiederum reiste Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) in seiner Funktion als Ehrenvorsitzender des Nah- und Mittelost-Vereins (NUMOV) nach Kuwait und wurde vom Emir höchstpersönlich empfangen.[8]
Ein Megadeal
Die Bundesrepublik Deutschland unterhält bereits seit über 40 Jahren wirtschaftliche Beziehungen zu dem Emirat. Im Jahr 1974 hatte die Kuwait Investment Authority (KIA) einen Anteil am deutschen Automobilhersteller Daimler (damals noch Daimler-Benz) erworben.[9] Das Geschäft wird als der „bis dahin gro?ßte Deal in der deutschen Wirtschaftsgeschichte“ eingestuft.[10] Bereits vor zehn Jahren galt Kuwait auch über das Daimler-Geschäft hinaus als bedeutender Investor in der Bundesrepublik – unter anderem im Immobilienbereich, in der verarbeitenden Industrie und im Bankenwesen.[11] Aktuell konstatiert das Auswärtige Amt: „Kuwait hält erhebliche Investitionen in Deutschland und ist an namhaften deutschen Unternehmen beteiligt.“[12]
Wirtschaftliche Perspektiven
Dabei werden die Investitionen kuwaitischer Unternehmen in Deutschland immer stärker ausgeweitet. Im August 2016 teilte der deutsche Botschafter in Kuwait City mit, die kuwaitischen Investitionen in Deutschland hätten ein Allzeithoch von 18,3 Milliarden US-Dollar erreicht.[13] Die Bundesrepublik ist Kuwaits wichtigster Handelspartner innerhalb der Europäischen Union. Deutsche Unternehmen bemühen sich zunehmend um neue Geschäfte in dem Emirat: Derzeit buhlt ein deutsch-kuwaitisches Konsortium mit Beteiligung der WTE Wassertechnik GmbH (Essen) um ein großdimensioniertes Kla?rwerksprojekt; der Umfang des Geschäfts beläuft sich auf 1,55 Milliarden Euro. Der Vertrag hat eine Laufzeit von 25 Jahren.[14] Um den Austausch zwischen beiden Ländern voranzutreiben, unterzeichnete der deutsche Botschafter in dem Emirat im März dieses Jahres ein Visafreiheitsabkommen.[15]
Stützpunkte
Die Ausweitung der Berliner Aktivitäten ist auch insofern interessant, als die Bundesrepubik damit ihre Stellung am Persischen Golf insgesamt stärkt. Bislang sind die wichtigsten Wirtschaftspartner die Vereinigten Arabischen Emirate (Handelsvolumen 2016: 15,5 Milliarden Euro, mehr als das Handelsvolumen mit Südafrika) und Saudi-Arabien (Handelsvolumen 2016: 8 Milliarden Euro); ausgebaut werden seit geraumer Zeit vor allem auch die Beziehungen zu Qatar. Enge Beziehungen zu Kuwait würden die deutschen Einflussoptionen abrunden. Käme es tatsächlich zur Stationierung deutscher Tornados in dem Emirat, dann hätte Deutschland neben dem zeitweise von der Luftwaffe genutzten „Air Warfare Center“ in den Vereinigten Arabischen Emiraten ein weiteres militärisches Standbein am Persischen Golf. Bislang sind in der Region vor allem die Vereinigten Staaten, Großbritannien und Frankreich präsent.
[1] Operation Inherent Resolve: Erfolge müssen geplant werden. einsatz.bundeswehr.de 12.10.2016.
[2] Auswärtiges Amt nennt Verhalten der Türkei „absolut inakzeptabel“. welt.de 15.05.2017.
[3] S. dazu Deutsche Militäreinsätze im Mittleren Osten.
[4] Angeblich Manöver mit KSK-Soldaten in Kuwait. Frankfurter Allgemeine Zeitung 26.02.2003.
[5] Gerald Traufetter/Horand Knaup: Die Scheichs schaffen an. Der Spiegel 06.10.2014.
[6] Bundesregierung genehmigt Rüstungsdeal mit Saudi-Arabien. zeit.de 06.07.2016.
[7] Ru?stungsexportbericht 2015 der GKKE. Bonn/Berlin, Januar 2016, S. 58.
[8] Amir receives former Germany’s Chancellor. kuwaittimes.net 18.01.2017.
[9] 40 Jahre Partnerschaft: Daimler und Kuwait Investment Authority feiern Jubiläum. media.daimler.com 18.09.2014.
[10] Michael Heller: Spa?te Ehre fu?r den stillen Aktiona?r Kuwait. Stuttgarter Zeitung 18.09.2014.
[11] Mathias Brüggmann: Kuwait will groß in Deutschland investieren. Handelsblatt 13.09.2006.
[12] Kuwait: Beziehungen zu Deutschland. www.auswaertiges-amt.de.
[13] Kuwait investments in Germany hits $18.3 bn. kuwaittimes.net 18.08.2016.
[14] Kuwait investiert in die Wasserwirtschaft. gtai.de 14.04.2017.
[15] Kuwait, Germany ink visa exemption agreement. kuwaittimes.net 13.03.2017.
Erschienen auf german-foreign-policy.com, 19.05.2017.
Artikel bei GFP erscheinen im Rahmen einer Redaktionsarbeit und sind nicht als Autorenartikel zu sehen.