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David X. Noack

Kritische Perspektiven auf Geschichte und internationale Politik

Wahlen in Moldau – Entscheidung zwischen Ost und West verschoben

Seit ihrer Unabhängigkeit 1991 schlingert die Republik Moldau zwischen Russland und der EU. Auch die jüngsten Parlamentswahlen, die durch massive Behinderung der Opposition gekennzeichnet waren, brachten keine eindeutige Entscheidung. Die Krise des Landes setzt sich fort.

Die Parlamentswahlen am 30. November 2014 galten als Richtungsentscheidung – zwischen der EU und der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU). Seit Gründung der Republik Moldau streiten sich die politischen Eliten über die außenpolitische Ausrichtung des Landes. Nachdem im ersten Jahrzehnt eine neoliberale Schocktherapie und prowestliche Ausrichtung dominierten, folgte ab 2001 unter dem kommunistischen Präsidenten Wladimir Woronin eine Annäherung an das erstarkende Russland. Doch dieser schlug außenpolitische Haken. Einer Ausrichtung auf die EU ab 2003/2004 unter der Regierung der Kommunisten (PCRM) folgte erneut ein pro-russischer Kurs ab 2007.

Nach vielfältigen Turbulenzen und drei Parlamentswahlen innerhalb von 18 Monaten bildeten im Januar 2011 drei liberale und konservative Parteien eine Regierung. Die Koalition zerstritt sich jedoch zwei Jahre später und regierte fortan mit leichten personellen Veränderungen und ohne die rumänisch-irredentistische Liberale Partei als „Pro-Europäische Koalition“ weiter. Während des kurzen Intermezzos einer Übergangsregierung änderten die prowestlichen Parteien 2013 das Wahlgesetz und erhöhten die Sperrklausel für den Einzug in das Parlament von vier auf sechs Prozent. Eine erste Maßnahme, um sich den Wahlsieg bei einem erneuten Urnengang zu sichern.

Größte Partei der beiden Koalitionen von 2011 bis 2014 war die Pro-EU-Partei PLDM. Mit dem Oligarchen Vlad Filat sowie dem Diplomaten Iurie Leanca stellte diese christlich-konservative Partei nacheinander zwei Premierminister. Für die EU ist die PLDM die tüchtigste Partei, denn sie setzte die meisten von der Brüsseler Kommission geforderten Reformen um.[1] Ihre Spitzenpolitiker stehen außerdem einer NATO-Mitgliedschaft Moldaus nicht prinzipiell ablehnend gegenüber.

Ganz im Gegensatz zur zweitgrößten „pro-europäischen“ Partei: Die Demokratische Partei (PDM) steht für einen Kurs, der Moldau fest etabliert zwischen Ost und West sieht. Sie hat mehrere von der EU geforderte Reformen blockiert. Darüber hinaus verkauften PDM-Minister den Flughafen von Chisinau sowie Teile der bis dahin staatlichen Banca de Economii an russische Firmen.[2] Der Oligarch und heimliche Kopf der PDM, Vladimir Plahotniuc, erklärte kurz vor den Wahlen 2014, dass Moldau ein „bedeutender Kontaktpunkt“ zwischen der „slawischen Welt“ und der „westlichen Welt“ werden könnte.[3] Die Partei tritt für die in der Verfassung verankerte Neutralität des Landes ein und ist gegen eine Annäherung an die NATO.

Infolge der Ukraine-Krise rückte die Republik Moldau international vermehrt ins öffentliche Bewusstsein. Wegen der hohen Symbolkraft mischten sich die interessierten Großmächte direkt in den Wahlkampf ein. Nach mehreren Jahren Dauerzwist einigten sich die beiden großen Parteien der amtierenden Koalition auf einen „Nichtangriffspakt“ im Wahlkampf.[4] Diese Übereinkunft kam nur durch die Vermittlung von EU-Diplomaten zustande. Die von Plahotniuc kontrollierten Medien umgingen jedoch den „Nichtangriffspakt“, indem sie der Pro-EAWU-Partei ‚Patria‘ viel Platz in ihrer Berichterstattung einräumten.[5]

Russland wiederum hatte den Druck auf die amtierende Koalition bereits zuvor erhöht, indem im September 2013 Sanktionen verhängt wurden – seitdem dürfen moldauische Lebensmittel nicht mehr dorthin eingeführt werden. Doch das Embargo des größten Handelspartners hatte nur minimale Auswirkungen. Stattdessen stieg der moldauische Handel mit Belarus sowie mit Abchasien sprunghaft an.[6] Über dortige Mittelsmänner finden die Produkte des Landes ihren Weg auch weiterhin nach Russland. Die EU wiederum ist keine Alternative für die moldauischen Produkte, da sie dort entweder nicht zugelassen oder nicht konkurrenzfähig sind.

Während sich der Wahlkampf im Land zuspitzte, bereiteten sich auch die vielen Auslandsmoldauer auf den Urnengang vor. Immerhin ist etwa die Hälfte der arbeitsfähigen Bevölkerung im Ausland
tätig – ca. 300.000 in der EU und etwa 400.000 in Russland. Letztere werden als weitgehend pro-russisch eingeschätzt. So verwundert es auch nicht, dass für den Urnengang im flächenmäßig größten Land der Erde lediglich fünf Wahllokale mit insgesamt nur 15.000 Wahlzettel zur Verfügung gestellt wurden.[7]

Den Höhepunkt der Mehrheitserhaltungskampagne bildete schließlich der Ausschluss der ‚Patria‘ wenige Tage vor der Wahl. In den letzten Umfragen lag die Partei immerhin bei 17 Prozent. Laut eigenen Angaben untersuchte die Staatsanwaltschaft seit April 2014 angebliche Unregelmäßigkeiten in der Parteifinanzierung, was dann auch der offizielle Grund für den Ausschluss wurde. Warum dieser erst wenige Tage vor der Wahl geschah, blieb jedoch schleierhaft. Auch die Sozialistische Partei befürchtete noch kurz vor der Wahl ein Verbot. Die EU schaute über all diese Maßnahmen hinweg. Sie agierte laut der FAZ nach dem Prinzip „Sie sind Bastarde, aber sie sind unsere Bastarde“.[8]

Den Wahlgang am 30. November 2014 gewannen die Sozialisten (PSRM) knapp. Sie hatten anscheinend fast das gesamte Wählerpotenzial von ‚Patria‘ aufgesaugt. Als relativer Gewinner der Wahl im bisherigen Regierungslager wiederum kann die Demokratische Partei gelten. Bei den Wahlen zeigte sich erneut die geographische Spaltung des Landes. Im Norden – Hochburg der Ukrainer – sowie im Süden, wo sich die ethnischen Minderheiten der Bulgaren und Gagausen konzentrieren, wählten die meisten Bürger die PSRM und die Kommunisten. In der Hauptstadt sowie den angrenzenden Wahlbezirken gewannen die „prowestlichen“ Parteien.

Partei 2011 2014
Sozialisten (PSRM) auf der Liste der Kommunisten 20,5 %
Liberaldemokraten (PLDM) 29,4 % 20,2 %
Kommunisten (PCRM) 39,3 % 17,5 %
Demokraten (PDM) 12,7 % 15,8 %
Liberale 10 % 9,7 %
Reformkommunisten nicht angetreten 4,9 %

Nach dem Zusammentreten des Parlaments erhob die Liberale Partei Anspruch auf den Posten des demnächst zu wählenden Staatsoberhauptes. Doch der Umstand, dass gerade diese Partei, die für einen Beitritt zu Rumänien steht, an die Spitze des Staatswesen gelangen könnte, verschreckte die PLDM und die PDM. Fast zwei Monate nach der Wahl einigten sich diese beiden Parteien auf die Bildung einer Minderheitenregierung unter dem Label „Politische Allianz für eine Europäische Moldau“ (APME), bei Tolerierung seitens der Kommunisten. Neuer Premier ist der frühere Telefonkonzernmanager Chiril Gaburici, da die PCRM den EU-freundlichen bisherigen Regierungschef abgelehnt hatte. Letzteren sprach die Koalition anscheinend den Zugriff auf die Wahlkommission sowie auf den Rundfunkrat zu.[9] Für die 2016 anstehende Präsidentschaftswahl haben die drei Parteien ausreichend Stimmen im Parlament.

Den Kurs der EU-Assoziierung wird die kommende Regierung weiterführen, ohne eine aggressiv antirussische Politik zu verfolgen. Eine NATO-Mitgliedschaft steht auch weiterhin nicht auf der Tagesordnung. Für den eingefrorenen Konflikt um Transnistrien zeichnet sich keine Lösung ab, während die Minderheitenkonflikte um die Gagausen und Bulgaren im Süden derzeit nicht zu einem offenen Konflikt auszuufern drohen. Der bisherige Premier Leanca betonte kurz nach dem Wahlgang, diese Amtszeit sei die „letzte Chance Moldaus“, die Regierung müsse die Bevölkerung überzeugen, dass die EU der richtige Pfad für das Land sei. [10] Die Kommunisten stehen nach anderthalb Jahrzehnten Zickzackpolitik derweil vor dem Zerfall. Deren Scherben könnte die PSRM auflesen und bereits zur nächsten Wahl mit den Demokraten eine Koalition bilden, die den Weg zur EAWU bevorzugt.

[1] Vgl. Socor, Vladimir: Inside Moldova’s Governing Coalition After the Elections (Part One), in: Eurasia Daily Monitor, Jg. 11, Nr. 217, 05.12.2014.

[2] Ebenda.

[3] Vgl. Socor, Vladimir: Inside Moldova’s Governing Coalition After the Elections (Part Two), in: Eurasia Daily Monitor, Jg. 11, Nr. 219, 09.12.2014.

[4] Vgl. Socor, Vladimir: Inside Moldova’s Governing Coalition After the Elections (Part One), a.a.O.

[5] Vgl. Socor, Vladimir: Inside Moldova’s Governing Coalition After the Elections (Part Three), in: Eurasia Daily Monitor, Jg. 11, Nr. 219, 09.12.2014.

[6] Kamil Calus: Russian sanctions against Moldova: Minor effects, major potential, osw.waw.pl/en/publikacje/osw-commentary/2014-11-06/russian-sanctions-against-moldova-minor-effects-major-potential (abgerufen am 06.11.2014).

[7] Heinrich Maetzke: Keine klare Entscheidung für Europa, bayernkurier.de 06.12.2014. bayernkurier.de/zeitung/artikel/ansicht/14971-keine-klare-entscheidung-fureuropa.html (abgerufen am 13.02.2015).

[8] Reinhard Veser: Die Oligarchenfalle, faz.net 04.12.2014. faz.net/aktuell/politik/ausland/europa/moldau-die-oligarchenfalle-13300849.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2 (abgerufen am 13.02.2015).

[9] Vgl. Kamil Calus: Moldova has a minority coalition, osw.waw.pl 28.01.2015. osw.waw.pl/en/publikacje/analyses/2015-01-28/moldova-has-a-minority-coalition (abgerufen am 13.02.2015).

[10] Vgl. Socor, Vladimir: Inside Moldova’s Governing Coalition After the Elections (Part One). a.a.O.

WeltTrends, Nr. 102, April 2015

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