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David X. Noack

Kritische Perspektiven auf Geschichte und internationale Politik

Garibaldis Kampf für die Republik Rio Grande do Sul

Der Vorkämpfer für die Einheit Italiens, Giuseppe Garibaldi, diente eine Weile für eine brasilianische Separatistenrepublik

Vielen Europäern ist Giuseppe Garibaldi als Held der italienischen Einheit, Vorkämpfer des Republikanismus sowie Sympathisant der europäischen Arbeiterbewegung bekannt. Weitgehend unbekannt ist seine Zeit in Lateinamerika, als er auf der Seite der international nicht anerkannten Republik Rio Grande do Sul kämpfte.

Nach einem missglückten republikanischen Aufstand floh der junge Offizier der königlich-sardinisch-piemontesischen Marine Giuseppe Garibaldi im Frühjahr 1834 aus Europa. Nach einer Zwischenstation in Tunesien setzte Garibaldi, der in Nizza in Abwesenheit zum Tode verurteilt worden war, seine Reise nach Brasilien fort. Nach einem kurzen Aufenthalt in Rio de Janeiro, wo der Italiener einen Freund traf, reiste Garibaldi weiter in die südliche Provinz Rio Grande do Sul. Dort hatten Gauchos, Nachfahren von Spaniern und Indios, die sich auch Farrapen („farrapos“) nannten, einen Aufstand gegen das Kaiserreich Brasilien unter Kaiser Peter II. (Pedro II.) begonnen.

Am 20. September 1836 proklamierte der brasilianische General Antônio de Sousa Neto die Unabhängigkeit der „Republik Rio Grande do Sul“ (auch genannt Riograndensische Republik oder Republik Piratini). Die Stadt Piratini im südbrasilianischen Hochland, etwa 100 Kilometer von der Grenze zu Uruguay entfernt, wurde die erste Hauptstadt der Republik, was einige Historiker dazu verleitet, den Staat als Republik Piratini zu bezeichnen. Zum ersten Präsidenten der Republik ernannte General Neto den Monarchisten Bento Gonçalves da Silva. Der wirtschaftliche Hintergrund der Sezession des Gebietes war eine Freihandelspolitik der brasilianischen Zentralregierung, die den lokalen Oligarchien der Südprovinzen entgegenlief.

Wie es sich für einen unabhängigen Staat gehört, richteten die Revolutionäre der so genannten Farrapen-Revolution Ministerien ein, bauten eine Armee auf und gaben die Zeitung „O Povo“ (Das Volk) heraus. Bereits wenige Monate nach Garibaldis Ankunft zogen die riograndensischen Behörden sowie die Zeitung in das 170 km Fußmarsch entfernte nordwestlichere Caçapava um.1

Die Republik Rio Grande do Sul führte in Anlehnung an die Französische Revolution einen neuen Kalender ein, der die Jahre ab dem 20. September 1835 zählte.2 Entgegen den freiheitlichen Zielsetzungen schafften die Farrapen die Sklaverei nicht ab – lediglich freiwillig Militärdienst leistenden Sklaven wurde die Freiheit geschenkt.

Das brasilianische Kaiserreich schickte mehrere tausend Soldaten in den Krieg, um die Riograndensische Republik wieder zurückzuerobern. Die Höchstzahl der kaiserlichen Truppen betrug in etwa 10.000 Soldaten. Im Separatistenstaat konnte die offizielle Armee in etwa 6.000 Mann aufbieten, um die Selbstständigkeit zu behaupten. Bei einer Bevölkerungszahl von 160.000 Frauen und Männern eine beachtliche Zahl.3 Das Hauptproblem für beide Armeen in dem Konflikt war es, in dem spärlich besiedelten Gebiet den Feind zu finden. Meist kam es nur zu kleinen Scharmützeln zwischen nicht einmal 100 Mann starken Infanteriegruppen.4 Schwere Verwundungen bedeuteten oft den Tod, da es kaum eine ärztliche Versorgung für die Soldaten gab.

Nach der Schlacht von Rio Pardo im Jahr 1838 zogen sich die kaiserlichen Truppen weitgehend aus Rio Grande do Sul zurück und die selbst erklärte Republik konnte ihre Macht stabilisieren. Die Kaiserlichen hielten fortan lediglich die Hafenstädte Porto Alegre, Rio Grande und São José do Norte und verwickelten die Republikaner in kleine Scharmützel, um sie schleichend aufzureiben. Im Jahr 1839 konnten die Revolutionäre kurzzeitig die republikanische Staatsform auf die südbrasilianische Provinz Santa Catarina ausdehnen. In der nördlich von Rio Grande liegenden Provinz gab es Zentren radikaler Intellektueller, die Kontakt mit Bento Gonçalves aufgenommen hatten, um einen republikanischen Aufstand mit einem Einmarsch der riograndensischen Armee zu koordinieren.

Guiseppe Garibaldi, zum Kapitänleutnant und somit Oberbefehlshaber der riograndensischen Marine ernannt, hatte den Plan gefasst, seeseitig an der Schlacht um Laguna (Santa Catarina) teilzunehmen. Da die kaiserlichen Truppen die riograndensischen Häfen kontrollierten, wollte er seine beiden Schiffe mit einem speziellen Gefährt und 200 Ochsen drei Tage über den Landweg zu transportieren und die „Rio Pardo“ und „Seival“ (benannt nach den wichtigsten Siegen der riograndensischen Republik) an einer unbewachten Stelle in den Atlantik lassen. Der spektakuläre Transport gelang.5 Das im Atlantik fahrende Schiff „Rio Pardo“ konnte jedoch nicht bis nach Laguna fahren, da sie von einem heftigen Sturm getroffen und aufgegeben werden musste. Auf dem Schwesterschiff „Seival“ reiste die riograndensische Marine weiter und nahm erfolgreich an der für die Republikaner siegreichen Schlacht von Laguna teil.

Vier Tage nach der Einnahme Lagunas durch die Riograndenser unterzeichnete der kaiserlich-brasilianische Oberst David Canabano am 24. Juli 1839 die Unabhängigkeitserklärung von Santa Catarina. Die Staatsform sollte fortan ebenso wie in Rio Grande do Sul die Republik sein. Canabano erhielt den Posten des Oberbefehlshabers und viele Lokalpolitiker aus Laguna erhielten Ministerposten in der „Republik Juliana“, benannt nach dem Monat der Befreiung vom brasilianischen Kaiserreich. Die Rolle des Außenministers nahm der italienische Intellektuelle Luigi Rossetti ein, der gemeinsam mit Guiseppe Garibaldi und anderen Italienern an der Farrapenrevolution teilgenommen hatte.6

Die Einnahme von Teilen Santa Catarinas stellte den Höhepunkt der Macht der Separatistenrepublik Rio Grande do Sul dar. Noch im November 1839 konnten die kaiserlichen Truppen Santa Catarina wieder einnehmen. Die Armeen von Rio de Janeiro (bis 1960 Hauptstadt Brasiliens) konnten wichtige Stellungen im Süden des Landes zurückerobern. Die Republik Rio Grande do Sul nahm 1842 eine republikanische Verfassung an – doch militärisch hatten die Kaiserlichen wieder die Oberhand gewonnen. Im Frieden von Ponche Verde 1845 einigten sich die Republikaner und Kaiserlichen auf ein Ende der Feindseligkeiten. Garibaldi war bereits drei Jahre zuvor nach Uruguay weiter gezogen und kämpfte im uruguayischen Bürgerkrieg auf der Seite der liberalen Colorado-Partei.

Die südbrasilianische Episode der militärischen Abenteuer Giuseppe Garibaldis ist vielen Europäern nicht bekannt. Sie ist jedoch historisch von Bedeutung, da Garibaldi dort zum ersten Mal kleinere militärische Einheiten befehligte – die spätere Grundlage seiner Guerillakriegsführung. Das Phänomen der Republik Rio Grande do Sul war eine interessante Bewegung, die zum Ziel hatte, gewisse Errungenschaften der Französischen Revolution auf den südamerikanischen Kontinent zu bringen.

1. Ridley, Jasper: Garibaldi, London 1974, S. 71.
2. Ebenda, S. 76.
3. Gesamtbrasilien hatte damals 4,17 Millionen Einwohner. Vgl. Ebenda, S. 72.
4. Ebenda.
5. Ebenda, S. 80.
6. Ebenda, S. 83/84.

1 Response to “Garibaldis Kampf für die Republik Rio Grande do Sul”

  1. Hallo,
    eine sehr wertvolle aus der Schatztruhe der Geschichte. Danke.
    Ich habe keine Webseite, deshalb habe eine m.E. interessante Seite eingetragen.

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