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David X. Noack

Kritische Perspektiven auf Geschichte und internationale Politik

Rezension: Gerhard Feldbauer – Der Heilige Vater

Am 19. April 2005 wurde Joseph Alois Ratzinger zum Papst gewählt. Der erste Deutsche an der Spitze der katholischen Kirche seit 1523 begab sich, wie Gerhard Feldbauer in seinem jüngsten Buch darlegt, von Anfang an auf einen konfrontativen Weg. Benedikt XVI. trägt in offensiverer Form den Alleinvertretungsanspruch seiner katholischen Kirche vor – nicht nur gegenüber dem Protestantismus, sondern auch gegenüber dem Islam und dem Judentum. Offensiv wendet er sich auch gegen die Befreiungstheologie, eine sozial engagierte Strömung vor allem im Katholizismus Lateinamerikas; entsprechend erteilt er in seiner Sozialenzyklika „Deus caritas est“ allen sozialen Reformideen eine Abfuhr. Für einen Eklat sorgte Papst Ratzinger, als er im Mai 2007 in Brasilien behauptete, die Urbevölkerung Lateinamerikas habe die Christianisierung geradezu herbeigesehnt. Nicht nur damit erntete Benedikt XVI. Widerspruch.

Aufschlussreich ist die Tradition, in der Joseph Ratzinger steht und sein Amt ausführt. Feldbauer beschreibt den Aufstieg des heutigen Papstes unter seinem Amtsvorgänger Johannes Paul II. bis in höchste Kirchenkreise. Johannes Paul II. hatte im Kampf gegen die realsozialistischen Systeme in Osteuropa eng mit den westlichen Staaten kooperiert; er gilt bis heute als Schlüsselfigur bei der Unterstützung antikommunistischer Kräfte im Polen der 1980er Jahre. Feldbauer weist in seinem lesenswerten Buch darauf hin, dass die Arbeit des polnischen Papstes stets auf politisch nutzbaren Netzwerken der katholischen Kirche beruhte. So war Karol Wojtyla etwa dem Souveränen Malteserorden verbunden, dem zum Beispiel die ehemaligen CIA-Chefs Vernon Walters und William Casey sowie der NATO-General Alexander Haig angehörten – aber auch Joseph Ratzinger.

Geschichtspolitisch wendet sich der deutsche Papst revisionistischen Tendenzen zu. Jüngst sprach Ratzinger 498 katholische Priester selig, die sich im Spanischen Bürgerkrieg (1936-1939) auf die Seite des Faschisten Franco geschlagen hatten. Größere Aufmerksamkeit erhielt die von Ratzinger initiierte Versöhnung des Vatikan mit der Pius-Bruderschaft, die einen Holocaust-Leugner zu ihren führenden Mitgliedern zählt. Dass seine Amtsführung antisemitischen Kräften Tor und Tür öffne, wird Benedikt XVI. schon lange vorgeworfen, unter anderem wegen seiner Einführung einer neuen Karfreitagsliturgie, die eine im modernen Christentum weithin abgelehnte Fürbitte für „die Juden“ enthält. Bei einem Besuch in Israel verschwieg der Papst die Kollaboration des Vatikan mit dem Nationalsozialismus – obwohl die Römische Kurie eine bedeutende Rolle nicht nur für den spanischen und den kroatischen, sondern gerade auch für den deutschen NS-Faschismus spielte.

Das Bundesverfassungsgericht urteilte 1957, das 1933 zwischen NS-Deutschland und dem Vatikan geschlossene Konkordat sei weiterhin in Kraft. Aufgrund der darin getroffenen Vereinbarungen ist die Bundesrepublik einer der größten Geldgeber der Kurie. Dazu passt, dass der Vatikan außenpolitisch eng mit der europäischen Hegemonialmacht Deutschland kooperiert. Zufall ist es sicherlich nicht gewesen, dass ausgerechnet der bündnisgrüne Außenminister Joseph Fischer sich stets dafür aussprach, in die EU-Verfassung – den heutigen Vertrag von Lissabon – einen Gottesbezug aufzunehmen.

Gerhard Feldbauer: Der Heilige Vater
Benedikt XVI.: Ein Papst und seine Tradition
Köln 2010 (PapyRossa Verlag)
209 Seiten
14,90 Euro
ISBN: 3894384158

Hier erwerbbar.

german-foreign-policy.com, 27.06.2010

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