Repressionspartner
Menschenrechtsorganisationen erheben schwere Vorwürfe gegen einen engen Kooperationspartner der deutschen Repressionsbehörden im sogenannten Anti-Terror-Kampf. Wie es in einer aktuellen Stellungnahme heißt, ist der jordanische Geheimdienst GID für die willkürliche Inhaftierung von Verdächtigen und für Misshandlungen verantwortlich. Er wird beschuldigt, an Verschleppungen durch US-Dienste („extraordinary renditions“) in nennenswertem Umfang mitgewirkt zu haben; über eine Beihilfe deutscher Behörden zu solchen Verbrechen wird in dieser Woche Außenminister Frank-Walter Steinmeier vor dem Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages befragt. Der GID arbeitet intensiv mit dem Bundeskriminalamt (BKA) und de Bundesnachrichtendienst (BND) zusammen. Die Bundesrepublik kooperiert schon seit den 1970er Jahren mit den jordanischen Repressionsbehörden und bezieht dabei die Streitkräfte des nahöstlichen Landes sowie die Lieferung deutscher Rüstungsgüter ein. Inzwischen dient Jordanien immer öfter als Basis für Expeditionen der Bundeswehr in der Region und wird über die NATO in die westlichen Militärstrategien eingebunden – ungeachtet der Menschenrechtsverletzungen durch seine Behörden.
„Interoperabilität“
Seit Anfang der 1990er Jahre versuchen die westlichen Staaten das Königreich Jordanien enger an die NATO anzubinden. Hierzu wurde 1994 der „NATO-Mittelmeerdialog“ ins Leben gerufen, der das erklärte Ziel hat, die Streitkräfte-Zusammenarbeit der teilnehmenden Länder mit denen der NATO-Staaten zu verbessern („Interoperabilität“). 2004 wurde die Kooperation ausgebaut und um andere Bereich ergänzt, unter anderem um den angeblich zivilen Grenzschutz. Deutschland ist bei dieser Zusammenarbeit ein Schlüsselpartner. So ermöglicht es eine gemeinsame Ausbildungsvereinbarung zwischen Deutschland und Jordanien, dass seit 1980 rund 120 jordanische Offiziere und Soldaten ausgebildet werden konnten – fast 80 allein in den letzten acht Jahren. Mit dem „Kampf gegen den Terror“ erhielten die deutschen Einflussbemühungen auf den Umbau des jordanischen Repressionssektors starken Auftrieb. 2005 startete das erste bilaterale Jahresprogramm der deutschen und der jordanischen Armee. Die „Jahresprogramme“ behandeln unter anderem die Streitkräfteorganisation und die Transformation der Streitkräfte. Bis heute sind 18 solcher Jahresprogramme durchgeführt worden.[1]
„Sicherer Hafen“
Zusätzlich zur Ausbildung von Teilen des jordanischen Offizierskorps‘ ist die Bundeswehr auch zunehmend selbst in dem nahöstlichen Staat präsent. So benutzte die Bundesluftwaffe nach der Invasion Israels im Libanon im Jahr 2006 den Flughafen von Jordaniens Hauptstadt Amman als Basis für Transportflüge in das kriegserschütterte Beirut. Im Oktober 2007 war Verteidigungsminister Franz-Josef Jung in Jordanien und lobte die „guten bilateralen Beziehungen“ [2]; sie würden „gerade auf dem sicherheitspolitischen Feld deutlich“. Er sei sich mit dem jordanischen Premierminister einig darüber, die „sicherheitspolitischen Beziehungen zu intensivieren“. Zum Besuch des Berliner Verteidigungsministers lief die deutsche Fregatte „Augsburg“ in den Hafen der jordanischen Marine in Akaba ein – dies, obwohl Akaba nicht im Mandatsgebiet der Operation Enduring Freedom liegt. Mitte Februar dieses Jahres ankerte die Fregatte „Augsburg“ erneut in Akaba – diesmal zusammen mit der Fregatte „Emden“. Dabei fand ein Kommandowechsel statt, für den auch der Befehlshaber des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr angereist war. Jordanien dient immer öfter als Stützpunkt („Sicherer Hafen“, „safe haven“) für Expeditionen der Bundeswehr in der Region.
Anbindung
Um gemeinsame Einsätze der jordanischen und der westlichen Streitkräfte gewährleisten zu können, liefert Deutschland auch nach NATO-Standards produziertes Rüstungsmaterial an das jordanische Regime. So wurden in den Jahren 2006 und 2007 unter anderem Hubschrauber, Spähfahrzeuge, Maschinenpistolen, Maschinengewehre, Teile für Panzer und Feuerleiteinrichtungen an die jordanischen Streitkräfte verkauft. Mit der Umstellung auf NATO-Standards wird zugleich der jordanische Rüstungsmarkt an die Erzeugnisse der europäischen und US-amerikanischen Waffenindustrie gekoppelt. Hilfstruppen für westliche Kriegseinsätze hatte Jordanien schon zuvor bereitgestellt – in den 1990er Jahren auf dem Balkan, nach dem Überfall auf Afghanistan auch dort.[3]
Verbindungsbüros
Nicht nur die Militärs Deutschlands und Jordaniens pflegen seit Jahren enge Kontakte. Schon lange bevor die Bundeswehr zu Auslandseinsätzen im Nahen Osten ausrückte, zeigten andere deutsche Behörden – wie das Bundeskriminalamt, der Bundesnachrichtendienst und der Bundesgrenzschutz (heute Bundespolizei) – Präsenz in dem nahöstlichen Land. Bereits in den 1970er Jahren hatte der Bundesnachrichtendienst eine Residentur in Amman eröffnet und seine Zusammenarbeit mit dem jordanischen Geheimdienst GID („General Intelligence Department“, „Allgemeine Nachrichtenabteilung“) verstärkt. 1985 begannen der Bundesgrenzschutz und das Bundeskriminalamt mit „Polizeihilfe“ für die jordanischen Repressionsbehörden. Die Kooperation umfasst die Lieferung von Ausstattung sowie Ausbildungskurse in Deutschland. Das BKA unterhält mittlerweile ein eigenes Verbindungsbüro in Jordanien.
Fruchtbare Zusammenarbeit
Der jordanische Geheimdienst GID, mit dem BKA und BND „fruchtbar“ [4] zusammenarbeiten, dient dem Westen seit Jahren als ein Hauptverbündeter im „Kampf gegen den Terror“ in der Region. Über den GID erklärt ein CIA-Terrorismusexperte, er habe inzwischen „eine größere Reichweite im Mittleren Osten (…) als der Mossad“.[5] Berichten zufolge haben BND und GID sogar gemeinsame prakische Operationen unternommen.[6] Wie der jordanische Geheimdienst zu seinen Ermittlungsergebnissen kommt, ist allgemein bekannt. So ist der GID laut amnesty international und Human Rights Watch für anhaltende schwere Menschenrechtsbrüche in Jordanien verantwortlich, unter anderem für willkürliche Inhaftierungen.[7] Dabei soll es eine intensive Zusammenarbeit mit US-Behörden bei der Verschleppung verdächtigter Personen („extraordinary renditions“) gegeben haben. Die mutmaßlich verbrecherischen Praktiken des nahöstlichen deutschen Repressionspartners werden durch den UN-Sonderberichterstatter über Folter bestätigt. Er sagt über das al-Jafr-Gefängnis des jordanischen Geheimdienstes, es sei eine „Strafeinrichtung, in der Gefangene routinemäßig geschlagen werden und Körperstrafen ausgesetzt sind, die der Folter gleichkommen“.[8]
[1] Deutscher Bundestag, Drucksache 16/6701, 12.10.2007
[2] Minister setzt Reise fort; bundeswehr.de 31.10.2007
[3] Bericht der Bundesregierung über ihre Exportpolitik für konventionelle Rüstungsgüter im Jahre 2005. Bericht der Bundesregierung über ihre Exportpolitik für konventionelle Rüstungsgüter im Jahre 2006
[4] Erich Schmidt-Eenboom, Rudolf Lambrecht: BND. Der deutsche Geheimdienst im Nahen Osten, München 2006
[5] U.S. partnership with Jordan was targeted; Los Angeles Times 12.11.2005
[6] Das neue Gesicht des Terrors; stern 7.10.2004
[7] Jordan: Clarifications on World Report Chapter 2008; Human Rights Watch 19.02.2008
[8] amnesty international: Jahresbericht 2007; www.amnesty.de
german-foreign-policy.com, 10.03.2008.