»Das Einzige, was wir zu fürchten haben, ist die Furcht selbst.« — Franklin D. Roosevelt
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David X. Noack

Kritische Perspektiven auf Geschichte und internationale Politik

Militärpartner am Golf

Die Bundeswehr hat erneut mit der Ausbildung irakischer Soldaten begonnen. Dabei handelt es sich um einen Logistikverband der irakischen Streitkräfte, der zuerst in Deutschland, dann in den Vereinigten Arabischen Emiraten trainiert wird. Das Militärgerät, das die Einheit für ihren Einsatz im irakischen Bürgerkrieg benötigt, wird ebenfalls von der Bundeswehr geliefert und befindet sich bereits auf dem Weg an den Persischen Golf. Wie bei vormaligen Hilfsdiensten für die Besetzung des Irak kooperiert Berlin eng mit den Vereinigten Arabischen Emiraten, seinem derzeit wichtigsten Kriegspartner am Persischen Golf. Deutschland baut seine Zusammenarbeit mit dem Feudalstaat, dessen Repressionspraxis von Menschenrechtsorganisationen scharf kritisiert wird, seit den 1990er Jahren systematisch aus und hat nach dem Irak-Krieg 2003 eine „Strategische Partnerschaft“ mit ihm ausgerufen. Die Militär- und Polizeikooperation wird nun durch die Nutzung eines emiratischen Luftwaffenstützpunktes durch deutsche Kriegsflugzeuge intensiviert. Die Emirate grenzen an die Straße von Hormuz, eine der geostrategisch wichtigsten Meerengen weltweit.

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Der Aufbau eines neuen Logistikverbandes der irakischen Streitkräfte durch die Bundeswehr hat begonnen. An der Logistikschule der Bundeswehr in Garlstedt bei Bremen sind inzwischen 20 irakische Soldaten in ihre Tätigkeit eingewiesen worden. Die Fortsetzung der Trainingsmaßnahmen in den Vereinigten Arabischen Emiraten, die Verteidigungsminister Jung im Herbst bei seiner Mittelost-Reise vertraglich zugesagt hat, steht bevor. Die Ausrüstungsgegenstände, ohne die die Einheit nicht tätig werden kann, sind bereits aus Deutschland verschifft worden. Laut Jungs Übereinkunft vom Oktober handelt es sich unter anderem um 250 Lastwagen und 100 Krankenwagen aus Bundeswehr-Beständen, die die deutsche Armee nicht mehr benötigt, da sie Sprengfallen nicht standhalten. Der Materialwert beläuft sich auf rund 7,5 Millionen Euro, außerdem zahlt Berlin rund zwei Drittel der Kosten für den zwei Millionen Euro teuren Seetransport. Das Training in Abu Dhabi, das nach Eintreffen der Ausrüstung in diesem Frühjahr stattfinden soll, wird von rund 70 deutschen Ausbildern durchgeführt werden.[1] Die Vereinigten Arabischen Emirate stellen Unterkunft und Verpflegung bereit.

Soldaten

Berlin führt damit frühere, ebenfalls mit Unterstützung der Vereinigten Arabischen Emirate abgehaltene Trainingsmaßnahmen für das irakische Militär fort. Bereits im August 2004 hatte eine Delegation der Bundeswehr mit den stellvertretenden Generalstabschefs des Irak und der Emirate in Abu Dhabi das erste Ausbildungsprojekt für die irakische Armee vereinbart. Im selben und im folgenden Jahr wurden fast 500 Militärs durch 75 deutsche Soldaten in der emiratischen Wüste trainiert.[2] Die Maßnahmen wurden durch umfangreiche Lieferungen von Militärgerät ergänzt.

Polizisten

Zusätzlich zu den Soldaten wurden in den Jahren 2004 und 2005 durch das Bundeskriminalamt mehr als 450 irakische Kriminalpolizisten trainiert – in der Polizeiakademie von Al Ain im Emirat Abu Dhabi. Die Kooperation mit den Emiraten bei der Ausbildung irakischer Polizeikräfte wurde 2005 zu einem bilateralen Abkommen erweitert, das „eine noch engere Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich“ vorsah.[3] Seit dem Jahr 2006 werden irakische Polizisten durch deutsche Kräfte auch für den andauernden Bürgerkrieg (Bombenentschärfung) ausgebildet und ausgerüstet.

Eng und vertrauensvoll

Die deutsch-emiratische Ausbildungskooperation fußt auf der Zusammenarbeit zwischen den Streitkräften beider Länder, die bereits in den 1990er Jahren eingeleitet wurde. Die Bundeswehr unterhalte eine „enge und vertrauensvolle Partnerschaft“ zur Armee der Vereinigten Arabischen Emirate, schreibt die deutsche Botschaft in Abu Dhabi.[4] Beispielhaft seien vor allem die emiratischen Seestreitkräfte, „ausgerüstet mit Schiffen aus deutschen Werften, mit dem Bekenntnis zur Deutschen Marine als ‚Parent Navy'“. Wie die Botschaft bestätigt, ziehen die anderen Teilstreitkräfte inzwischen nach. Im Rahmen des „Projekt Falah“ werden jährlich 20 emiratische Offiziere und Unteroffiziere in Deutschland ausgebildet. Eine Ausweitung des Projektes wird von deutscher Seite ausdrücklich angestrebt. Hierzu wurde 2005 ein weiteres Abkommen geschlossen: Der „Vertrag über die Zusammenarbeit auf militärischem Gebiet“. 2006 begann die Bundeswehr mit der Unterstützung der emiratischen Streitkräfte im Bereich „Umweltfragen“. Auch die Polizeien bauen ihre Zusammenarbeit aus. In den vergangenen beiden Jahren führten das Bundeskriminalamt sowie mehrere Landeskriminalämter Ausbildungskurse für emiratische Sicherheitsbehörden durch. Hierbei wurden mehr als 200 Polizisten instruiert.

Spürpanzer, Haubitzen

Wie im Falle der emiratischen Marine bringt auch die Kooperation der anderen Teilstreitkräfte den Kauf von Rüstungsgütern in der Bundesrepublik mit sich. In den vergangenen Jahren avancierte Deutschland zu einem der wichtigsten Rüstungslieferanten für das Regime in Abu Dhabi. Seit 2003 kaufen die Emirate deutsche ABC-Spürpanzer, Lastkraftwagen, Teile für Panzer und Panzerhaubitzen. Allerdings attestieren Experten den emiratischen Militärimporten eine geringe Ausrichtung an praktischen Kriegsanforderungen. Die Käufe zeigten „eine akute Tendenz, dem Glitzerfaktor“ zu folgen, urteilt ein US-Fachmann.[5] Neben dem gewinnbringenden Warenabsatz verschaffen die Emirate deutschen Rüstungsfirmen auch unentbehrliches Testgelände. So konnte das deutsch-französisch-britische Konsortium EURO-ART (Sitz: München) dort sein Artillerieortungsradar COBRA erproben, das auch von der Bundeswehr genutzt wird. Die Auswahl der Testregion belegt die Orientierung der westlichen Rüstungsindustrie auf Gewaltoperationen in den Wüstengebieten der arabisch-islamischen Welt.

Air Warfare Center

Im vergangenen Jahr schließlich ließ die emiratische Regierung ein „Air Warfare Center“ auf der „El Dhafra Air Base“ im Zentrum des Landes errichten. Hier können „befreundete Streitkräfte“ – ohne dafür zu bezahlen – den Luftkampf in Wüstengebieten erproben. Ein Theoriekurs der bundesdeutschen Luftwaffe fand bereits auf dem Stützpunkt statt. Ab März dieses Jahres sollen dort größere Kampfverbände mit bis zu 40 „befreundeten“ Jets für zukünftige Kriege in der arabischen Welt üben. Dazu werden sechs Tornados der Bundeswehr mit bis zu 150 Soldaten entsandt. „Die Bedingungen sind die gleichen wie bei echten Kampfeinsätzen“, sagt ein emiratischer Oberst gegenüber der deutschen Presse.[6] Ein Verbindungsoffizier der deutschen Luftwaffe ist seit dem vergangenen Jahr fest in den Emiraten stationiert.

Rivalen

Konkurrenzlos ist die enge deutsche Kooperation mit den Vereinigten Arabischen Emiraten allerdings nicht. Wie vor wenigen Wochen bekannt wurde, wird die französische Armee einen eigenen Stützpunkt in dem Golfstaat errichten. Die Basis soll insbesondere der Ausbildung emiratischer Soldaten dienen. Frankreich ist bereits seit den 1990er Jahren der zweitgrößte Waffenlieferant des Landes. Die Konkurrenz zwischen den beiden kerneuropäischen Mächten setzt sich damit am Persischen Golf fort – an einer geostrategisch hochbedeutenden Meerenge, der Straße von Hormuz, durch die fast 30 Prozent der weltweiten Öltransporte geleitet werden. Seewege wie die Straße von Hormuz gehören wegen ihrer Bedeutung für die westliche Energieversorgung zu den besonderen Interessenzonen der globalen deutschen Militärpolitik.[7]

Besonders grausam

Angesichts des Nutzens der Kooperation mit den Emiraten für die globale Machtpolitik Berlins findet Kritik von Menschenrechtsorganisationen an der Repressionspraxis der Feudaldiktatur bei der Bundesregierung keine Beachtung. So berichtet etwa amnesty international von Folter sowie von willkürlicher Inhaftierung. „Viele Menschenrechtsverteidiger, die seit Jahren weder Interviews geben noch Artikel schreiben dürfen, sind weiterhin Repressalien ausgesetzt“, teilt die Organisation mit.[8] Ferner kommen in den Emiraten nach wie vor brutale und erniedrigende Körperstrafen (Auspeitschungen, Prügelstrafe) zur Anwendung. „Berichten zufolge werden auch besonders grausame Todesurteile verhängt: Tod durch Enthauptung mit anschließender Kreuzigung oder Tod durch Steinigen“, heißt es bei amnesty. Die emiratische Polizei, deren Ermittlungstätigkeit solch drakonischen Urteilen vorausgeht, wird – wie beschrieben – von deutschen Repressionskräften instruiert.

[1] 50-Tonner im Wüstensand; blog.focus.de/wiegold/?p=237
[2] s. dazu Die Spitze des Eisberges und Großer Aufschwung
[3] Deutschland und die Vereinigten Arabischen Emirate vereinbaren eine noch engere Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich; Pressemitteilung des Bundesministeriums des Innern 24.09.2005
[4] Sicherheits- und militärpolitische Zusammenarbeit; www.abu-dhabi.diplo.de
[5] Anthony H. Cordesman: The Military Balance in the Middle East, Washington 2004
[6] Bundeswehr trainiert über arabischer Wüste; Focus Online 31.10.2007
[7] s. dazu Kriegerische Optionen
[8] Länderkurzinfo Vereinigte Arabische Emirate (VAE); amnesty international 01.02.2008

Bild: US-Verteidigungsminister Robert Gates auf der El Dhafra Air Base in den Vereinigten Arabischen Emiraten (02.08.2007).
Picture: United States Secretary of Defence Robert Gates at El Dhafra Air Base in the United Arab Emirates (08.02.2007).

This picture is in the public domain in the United States because it is a work of the United States Federal Government under the terms of Title 17, Chapter 1, Section 105 of the US Code.

german-foreign-policy.com, 20.02.2008.

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