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David X. Noack

Kritische Perspektiven auf Geschichte und internationale Politik

Legion Vietnam

Deutsche Beteiligung am Krieg in Vietnam

An diesem Wochenende jähren sich zum 43. Mal die Ereignisse, welche allgemein als offizieller Auslöser des Engagements der USA und seiner Verbündeten in Südvietnam sowie der Aggressionen gegen Nordvietnam, Kambodscha und Laos gelten. Man nennt sie den „Tonkin-Zwischenfall“. Dieser Krieg im südostasiatischen Raum kostete über fünf Millionen Vietnamesen das Leben und war mit etwa 60 000 Gefallenen einer der verlustreichsten Kriege der Vereinigten Staaten. Während sich in der deutschen Bevölkerung eine große Protestbewegung gegen den Angriffskrieg formierte, beteiligte sich die Bundesrepublik indes verdeckt an den Kampfhandlungen.
Es gibt erste Vermutungen, dass auch im Irak deutsche Soldaten „undercover“ im Einsatz sind. Abdul-Hameed Al Obaidi, Iraker mit deutschem Studentenvisum, wurde im Januar 2006 bei einem Familienbesuch in Bagdad von Angehörigen der irakischen Armee (Iraqi Security Forces) festgenommen. Wochen der Folter musste der junge irakische Student über sich ergehen lassen. Nachdem erstmals auch US-Armeeangehörige an den Peinigungen teilnahmen, kamen bei weiteren Torturen auch deutsche Muttersprachler zum Einsatz. Zwar trugen sie Uniformen der „United States Army“ – doch Namensschilder suchte man vergebens. Da die deutschsprachigen Soldaten im Besitz einer Kopie des Führungszeugnisses des deutschen Generalbundesanwaltes waren, liegt der Verdacht nahe, dass es sich um verdeckt eingesetzte Angehörige deutscher Sicherheitskräfte gehandelt haben könnte.[1] Es wäre nicht das erste Mal, dass sich Deutschland verdeckt an einer US-amerikanischen Aggression beteiligt.

Stimmungsmache

Seit dem Jahr 1964 forderten Teile der deutschen Presse ein verstärktes Augenmerk der Bundesrepublik Deutschland auf den Kriegsschauplatz Vietnam. So schrieb die deutsche Tageszeitung „Die Welt“, man müsse „lernen, wie heute Kriege geführt werden“. Ein Jahr später forderte die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ auf, man solle „neue operative und taktische Erkenntnisse“ des Vietnamkrieges studieren. Später, im Jahre 1967, erklärte der Militärattaché der BRD in Saigon, es sei seine „Aufgabe, alle Entwicklungen, die für die eigene Militärpolitik, für die eigene Waffenentwicklung von Bedeutung sind, zu verfolgen“. Auch Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger – 1933 bis 1945 Mitglied der NSDAP und seit 1940 stellvertretender Leiter der Radiopropagandaabteilung im Reichsaußenministerium – sicherte am 13. Dezember 1966 den Vereinigten Staaten zu, „entschiedener als bisher Mitverantwortung in Vietnam zu übernehmen“.[2]

Chemiewaffen

Der deutsche, in Ingelheim am Rhein angesiedelte Pharmakonzern Boehringer lieferte im Jahre 1964, als sich die ersten Reserven des in großem Umfang eingesetzten Herbizids „Agent Orange“ zu Ende neigten, unter Billigung des späteren deutschen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker das Know-how zur Herstellung einer der wichtigsten Zutaten des gefährlichen Mittels. Drei Jahre später sandte der Chemiekonzern dann 720 Tonnen Trichlorphenolatlauge – ein essentieller Bestandteil von „Agent Orange“ – an das in Neuseeland ansässige Unternehmen Dow Watkins, einer Tochter des Konzerns Dow Chemicals. Bis heute leiden etwa eine halbe Million Vietnamesen an den Spätfolgen des völkerrechtswidrigen Einsatzes dieser Chemiewaffe.

Entwicklungshilfe

Die Bundesrepublik war neben den Vereinigten Staaten auch der zweitgrößte Geldgeber des diktatorischen Regimes in Südvietnam. Dessen Premierminister Nguyen Cao Ky (von 1965 bis 1967 im Amt) galt als fanatischer Bewunderer Hitlers und erklärte eben jenen nun zum offiziellen Vorbild in Südvietnam: „Wir brauchen vier oder fünf Hitlers!“, soll er Überlieferungen zufolge einst gesagt haben. Offensichtliche Menschenrechtsdefizite, die weit verbreitete Korruption und öffentliche Hinrichtungen ließen die Bundesrepublik nicht an den Finanzspritzen zweifeln.

Die Bundeswehr

Der offizielle Standpunkt der Bundesregierung zu Beginn des Jahres 1966 lautete, dass jede personelle Hilfeleistung gegenüber der materiellen einen tausendfachen Wert habe. Der damalige deutsche Verteidigungsminister Gerhard Schröder sprach sich im Frühjahr 1966 „für eine Entsendung deutscher Soldaten auf den fernöstlichen Kriegsschauplatz“ aus. Das Pentagon forderte im November desselben Jahres zwei Infanteriedivisionen und eine Panzergrenadierdivision der Bundeswehr für den Vietnamkrieg an. Auch wenn dieser offiziellen Anfrage nicht stattgegeben wurde – die bundesdeutsche Armee beteiligte sich trotzdem verdeckt am Krieg in Südostasien.

Legion Vietnam

Wie französische und US-amerikanische Medien herausfanden, verrichteten deutsche Piloten Dienst in den Reihen der US-Armee. Am 2. August 1966 bestätigte das Hauptquartier der US-Streitkräfte in Saigon, dass eine – wenn auch geringe – Anzahl deutscher Staatsbürger in den US-amerikanischen Einheiten in Südvietnam eingesetzt werde. Hierbei machte man sich die Erfahrungen der faschistischen „Legion Condor“ zu eigen: Die Soldaten traten mit Billigung der Regierung aus der deutschen Armee aus und dienten als Freiwillige der Armee im Konfliktgebiet. In Anlehnung an das „Freiwilligenkorps“ der Wehrmacht nannte man die bundesdeutschen Soldaten auch die „Legion Vietnam“. So waren unter anderem 40 Hubschrauber der Bundeswehr im Einsatz – samt deutscher Besatzungen. Insgesamt soll sich die Anzahl von „zivilen“ und Bundeswehr-„Spezialisten“ in Vietnam auf 2.500 Deutsche belaufen haben.

Schiffe

Zum Transport amerikanischen Waffenmaterials setzte die Bundesrepublik eigene Schiffe unter fremder Flagge ein. Die Besatzungen erhielten auch Pässe der USA, um sich in den Hafengebieten frei bewegen zu können. Unter dem Oberkommando des bundesdeutschen Militärattachés in Saigon wurde auch das Lazarettschiff „Helgoland“ in Stellung gebracht. Nach einer kurzen Visite in der Hauptstadt Südvietnams wurde es nach Da Nang verlegt und war dort, nahe der Grenze zu Nordvietnam, von 1966 bis 1972 im Einsatz. Hier befand sich ebenfalls eine der größten Basen der US-Armee. Dabei verließ man sich eindeutig auf die Deutschen, denn die „Helgoland“ war die einzige medizinische Versorgungsstation in der Region. Das Internationale Rote Kreuz empfahl, das Schiff auch nach Nordvietnam auslaufen zu lassen, was die Regierung der Bundesrepublik jedoch ablehnte. Unter anderem an Bord des Hospitalschiffs: Chemiewaffenexperten der Bundeswehr. An Wochenenden nahmen Mannschaftsmitglieder des Schiffs an Einsätzen der US-Armee teil. Der Einsatz der Helgoland galt als „erste Stufe einer vormilitärischen Beteiligung“.

Profite

Damals wie heute profitieren deutsche Großkonzerne in Vietnam in großem Stil. Zu Zeiten des Vietnamkrieges lieferten die deutschen „Bremer Werften“ Frachtschiffe an die US-Armee zum Transport von Waffengut nach Vietnam. Ebenfalls rentabel war der Angriffskrieg für deutsche Pharmakonzerne und Stahlkonzerne, welche sich an amerikanischen Rüstungsgeschäften beteiligten. [2] Heute lassen deutsche Konzerne in dem ausgewiesenen Billiglohnland Vietnam unter miserablen Arbeitsbedingungen produzieren und können dabei hohe Renditen erwirtschaften. Und auch das deutsche Großunternehmen Siemens schließt Geschäfte mit dem vietnamesischen Staat ab, so liefert Siemens beispielsweise Eisenbahnen.
Unabhängig von politischer Ausrichtung und Situation – schon seit langem ist Vietnam mehr als nur ein Land in Fernost für die Bundesrepublik Deutschland. Er ist vor allem eines: profitabel für die deutsche Wirtschaft.

Quellen:
[1] Im Irak auf deutsch verhört, Jürgen Elsässer, 14.07.2007 junge Welt
[2] Irene und Gerhard Feldbauer: Sieg in Saigon. Erinnerungen an Vietnam, Pahl-Rugenstein-Verlag Bonn 2005
Panorama, 28.02.1966

Unsere Zeit, 10. August 2007.

Als Kontext zu diesem Artikel: Peter Busch: The “Vietnam Legion”: West German Psychological Warfare against East German Propaganda in the 1960s, in: Journal of Cold War Studies, Jg. 16 (2014), Nr. 3, S. 164–189 (hier v.a. S. 188/189Fn107). Hier frei abrufbar.

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