»Wir kämpfen gegen die wichtigste Weltmacht, die Eigentümer des Universums! « — Francisco Arias Cárdenas
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David X. Noack

Kritische Perspektiven auf Geschichte und internationale Politik

Vom Recht auf Großgrundbesitz

Auseinandersetzungen um deutschen Großgrundbesitz in Zimbabwe führen zu neuen Spannungen mit der dortigen Regierung. Ein deutscher Farmer, der Ländereien in mehreren afrikanischen Staaten besitzt, verklagt die Regierung auf Schadensersatz, nachdem Landreform-Aktivisten eines seiner Latifundien besetzt hatten. Die Aktion war nach scharfer Intervention der deutschen Botschaft beendet worden. Als Druckmittel hatte das Auswärtige Amt die seit kurzem wieder geleistete deutsche Entwicklungshilfe für Zimbabwe genutzt, die allerdings überwiegend kooperationswilligen Kräften zugute kommt und den Parteigängern von Staatspräsident Mugabe vorenthalten wird. Mugabe hat vor einigen Jahren eine radikale Landreform in die Wege geleitet, die insbesondere weiße Großgrundbesitzer trifft; die westlichen Staaten suchen ihn deswegen aus dem Amt zu jagen. Die Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zu Zimbabwe haben eine wechselvolle Vergangenheit: Den von der Landreform ausgelösten Spannungen ging eine Phase enger Kooperation mit dem 1980 unabhängig gewordenen Staat voraus, die ihrerseits an eine Zeit intensiver Zusammenarbeit mit dem rhodesischen Rassistenregime anschloss.

Farmer und Abhängige

Gegenstand der aktuellen Auseinandersetzungen in Zimbabwe ist der Großgrundbesitz des deutschen Staatsbürgers Heinrich von Pezold. Pezold, Nachkomme eines alten Adelsclans, besitzt riesige Ländereien in Zimbabwe, in Mozambique und in Tansania. In Zimbabwe gehört ihm unter anderem die Farm „Forrester Estate“, die 20 Kilometer lang und acht Kilometer breit ist; auf ihrem Gelände liegen Berichten zufolge neun Dörfer mit mehr als 10.000 Bewohnern, aus denen sich die Arbeitskräfte zur Bewirtschaftung der Farm rekrutieren.[1] Derlei Besitzverhältnisse – Weiße verfügen über Großgrundbesitz, die schwarze Bevölkerung lebt in Abhängigkeit von ihnen – haben im gesamten südlichen Afrika Forderungen nach einer gründlichen Landreform aufkommen lassen. Die Regierung Zimbabwes hat vor inzwischen über zehn Jahren den Weg einer radikalen Umverteilung eingeschlagen und bis heute einen beträchtlichen Teil der einst 4.500 Latifundien in weißem Besitz unter die Kontrolle von schwarzen Einwohnern gebracht. Begleitet wurde die auch im eigenen Land umstrittene Reform vor allem von Protest und von Sanktionen der ehemaligen Kolonialmächte in Europa.

Besetzung: „Ende erzwungen“

Auch „Forrester Estate“ ist mehrfach besetzt worden, Großgrundbesitzer Pezold konnte seine Farm jedoch bis heute verteidigen – nicht zuletzt dank mehrerer Interventionen der Berliner Botschaft. So hatten sich Aktivisten etwa im Sommer 2010 drei Pezold-Farmen angeeignet; wenig später übte die Botschaft massiven Druck auf die Regierung in Harare aus, die Landbesetzung zu beenden. Pezold und das Auswärtige Amt behaupten, ein bilaterales Investitionsschutzabkommen, das seit dem Jahr 2000 in Kraft ist, müsse auf „Forrester Estate“ angewandt werden. Der deutsche Botschafter sandte im Juli 2010 eine Protestnote an die Regierung Zimbabwes und drohte, die Entwicklungshilfe zu kürzen. Die Drohung wirkte; die Landbesetzer, von denen es hieß, sie stünden der Partei ZANU-PF von Staatspräsident Mugabe nahe, zogen sich zurück. Der stellvertretende deutsche Botschafter in Harare brüstete sich anschließend in der Presse damit, die Beendigung der „Invasion der deutschen Farmen“ erzwungen zu haben.[2] Der Streit belastet Harare bis heute: Pezold hat die Regierung vor dem International Centre for Settlement of Investment Disputes (ICSID, Internationales Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten – eine Organisation der Weltbank) verklagt. Er verlangt Ersatz für angeblich während der Besetzung verursachte Schäden.

„Erfreut, helfen zu können“

Die Drohung, die Entwicklungshilfe zu kürzen, kann Berlin erst seit kurzer Zeit wieder gegen Harare in Anschlag bringen. Die Bundesregierung hatte die bilaterale Entwicklungskooperation mit Zimbabwe im Jahr 2002 beendet – in Reaktion insbesondere auf die radikale Landreformpolitik von Staatspräsident Mugabe. Nur über den Deutschen Entwicklungsdienst und humanitäre Projekte war Deutschland noch präsent. Das hat sich mit der Bildung einer Koalitionsregierung in Harare Anfang 2009 geändert. Staatspräsident bleibt zwar weiterhin der wegen seiner Landreformpolitik in Europa verhasste Robert Mugabe; doch ist der Schützling des Westens, Morgan Tsvangirai, seitdem an der Regierung beteiligt. Tsvangirai wurde 1999 zur Führungsgestalt der Opposition gegen Mugabe – in enger Kooperation mit der deutschen Friedrich-Ebert-Stiftung (SPD).[3] Man sei darüber „erfreut, helfen zu können“, heißt es in der deutschen Botschaft über die vorsichtige Wiederaufnahme der Entwicklungshilfe [4], die ausschließlich kooperationswilligen Kräften zur Verfügung gestellt wird und dem Auswärtigen Amt zufolge der „Unterstützung reformorientierter Kreise“ dient [5]. Dabei lässt das Ministerium unerwähnt, dass die Entwicklungshilfe auch indirekt zur Disziplinierung der Regierung in Harare eingesetzt wird – als Erpressungsmittel in der Landreformfrage.

Kampf um Einfluss

Der Versuch Berlins, nach dem Eintritt kooperationswilliger Kräfte um Tsvangirai in die Regierung den deutschen Einfluss wieder zu stärken, gestaltet sich nicht einfach. Nachdem sich die EU-Staaten vor allem wegen des Streits um die Landreform gegen die Regierung Mugabe gestellt, das Land mit Sanktionen belegt und schließlich den Staatspräsidenten zu stürzen versucht hatten [6], band sich Zimbabwe an globale Rivalen des Westens. So lieferte Venezuela unkonditionierte Hilfe und kritisierte westliche Umsturzversuche in Harare; auf oberster Regierungsebene fanden Treffen zwischen Nordkorea und Zimbabwe statt. Sowohl Iran als auch Sudan unterhalten zu dem Land gute Beziehungen; insbesondere China ist politisch, wirtschaftlich und militärisch recht präsent. Zwar betont das Auswärtige Amt, es seien „nie Wirtschaftssanktionen gegen Simbabwe als Ganzes verhängt“ worden und Deutschland sei auch weiterhin „ein wichtiger Handelspartner“.[7] Dennoch ist die von Berlin maßgeblich mitgetragene westliche Droh- und Umsturzpolitik in maßgeblichen Kreisen in Harare unvergessen.

Söldner in Rhodesien

Dass die Bundesrepublik derlei Hindernisse problemlos überwinden kann, hat sie allerdings schon vor mehr als 30 Jahren bewiesen. Bis 1979 hatte Bonn noch das Rassistenregime des Ian Smith im damaligen Rhodesien unterstützt. Der Verbündete des südafrikanischen Apartheidsregimes erhielt aus der Bundesrepublik unter anderem Panzer- und Tiefflieger-Abwehrraketen. Als bevorzugtes Anwerbeziel für die Mitgliedschaft in rhodesischen Söldnerarmeen galten in den 1970er Jahren ehemalige Soldaten der Bundeswehr.[8] Rhodesien unterhielt lediglich in sechs Staaten weltweit Repräsentationsbüros – einer davon war die Bundesrepublik. Dennoch erkannte Bonn Zimbabwe schon 1980, im Jahr seiner Unabhängigkeitserklärung, an – und konnte gedeihliche Beziehungen entwickeln. Zu den Profiteuren gehört der heutige Großgrundbesitzer Heinrich von Pezold: 1988 erwarb sein Vater die Farm „Forrester Estate“.

[1] Der Gutsherr, der Zähne zeigt; www.badische-zeitung.de 07.01.2010
[2] Zimbabwe gvt returns German farm properties; www.zimeye.org 09.07.2010
[3] s. dazu Der nächste, bitte!
[4] Property breaches: Germany threatens aid withdrawal; www.theindependent.co.zw 08.07.2010
[5] Simbabwe: Beziehungen zu Deutschland; www.auswaertiges-amt.de
[6] s. dazu Alles oder nichts, Noch nie so günstig wie jetzt, Menschenrechte in Afrika und Westlich-liberal
[7] Simbabwe: Beziehungen zu Deutschland; www.auswaertiges-amt.de
[8] Wacht am Kariba-See; Der Spiegel 33/1975

german-foreign-policy.com, 09. Februar 2011

3 Responses to “Vom Recht auf Großgrundbesitz”

  1. Wer Zimbabwe und seine Geschichte kennt, und wer die Menschen dort liebt, wird kaum so einen zynischen Artikel wie diesen verfassen. Man muss den hier erwähnten Gutsherrn nicht mögen, aber die Dinge sind komplexer als es sich vom deutschen Sessel aus mit ein paar Sekundärquellen und einem gerüttelt Mass an ideologischer Verblendung zusammenschustern lässt.
    Leider scheint es bei den Verfassern so zu sein, dass die Welt sich schlicht in gut und böse teilt. Wird die Realität durch eine solche Brille betrachtet, kommt es zu Sichtweisen wie diesen. Das erinnert schwer an alte DKP-Ideologie – da war auch an allem der Westen schuld! Wer so argumentiert wird vermutlich auch die Massaker, die nach der Unabhängigkeit in Matabeleland mit HiIlfe der koreanischen Armee stattfanden, als antiimerialistische Tat feiern.
    Klar ist, dass deutsche und europäische Politik sich weder rechtzeitig noch konstruktiv in den sich seit 2000 anbahnenden Konflikt, der ab 2002 zu der heutigen Krise führte, eingeschaltet hat. Auch deshalb ist das Leiden der Frauen und Männer im Land grösser als notwendig. Ähnlich der Befreiung von Ben Ali in Tunesien, von Mubarak in Ägypten und Gaddafi in Libyen ist auch in Zimbabwe ein erneuter Chimurenga notwendig. Das sagt übrigens die Opposition im Land, die mehr ist als das hier erwähnte MDC.

  2. Nein, die Welt kann man nicht so leicht in gut und böse aufteilen – es ist immer schwieriger. Nein, ich habe keine DKP-Ideologie indoktriniert. Aber ist nun einmal so, dass die Kolonialmächte bis heute die ehemaligen Kolonien in Unterentwicklung und Abhängigkeit halten.

    Ich empfehle ihnen dieses Interview hier:

    http://www.sueddeutsche.de/politik/serie-deutschland-und-der-krieg-wissen-sie-nicht-was-sie-da-tun-1.321461

    Mehr brauche ich dazu nicht sagen…

  3. Nobilitatis says:

    Man könnte Ihnen vorwerfen, dass Sie keinen Unterschied machen zwischen kolonialen Siedlern und Agrarkonzernen, die international Rohstoffe produzieren. Letzteres kann nicht als koloniales Problem gelten. Wenn Sie sich dagegen wenden wollen, müssen Sie den Verbot von größeren Firmen fordern. Agrarwirtschaft in Simbabwe ist kein Sonderfall.
    Was ist das Ziel Ihrer Kritik? Reiche Leute? Weiße in Afrika? Ausbeutung durch Konzerne? Plantagenwirtschaft?

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