»Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht.« — Václav Havel
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David X. Noack

Kritische Perspektiven auf Geschichte und internationale Politik

Der deutsche Krieg in Afghanistan

Deutschland weitet seinen Einsatz am Hindukusch weiter aus. Aufbauhilfe findet kaum statt.

Die Bundesregierung behauptet, dass die Bundeswehr in Afghanistan die Bevölkerung unterstütze. Doch die Mär vom Einsatz zur Aufbauhilfe ist seit Monaten überholt. Steinwürfe auf Bundeswehr–Patrouillen sind nichts Unübliches mehr, auch wird das Lager in Kunduz in regelmäßigen Abständen mit Raketen angegriffen, so dass mittlerweile nahezu alle Aufbauarbeiten wegen Angriffen des Widerstandes eingestellt wurden. Das Bild vom netten „Aufbauhelfer in Uniform“ ist eine grobe Verzerrung der afghanischen Wirklichkeit. Die Bundesregierung verstrickt sich immer weiter in den Krieg in Afghanistan. Mit der Übernahme der „Quick Reaction Force“ im Sommer dieses Jahres erreicht Deutschlands Krieg am Hindukusch eine neue Eskalationsstufe. Doch auch davor war die Bundeswehr, entgegen der Beteuerung der Regierung, an Kampfhandlungen beteiligt.

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Deutschland beteiligte sich vom ersten Tag an der westlichen Präsenz am Boden Afghanistans mit Spezialtruppen. Das „Kommando Spezialkräfte“ (KSK) wurde binnen weniger Wochen in den Iran und nach Oman verlegt. Im Iran trainierten die deutschen Sonderkommandos zusammen mit den Iranischen Revolutionswächtern, die jüngst von den USA zur Terrororganisation erklärt wurden. Von den Trainingsplätzen flogen sie dann in den Süden Afghanistans, um direkt in die Kampfhandlungen eingreifen zu können.

Als das Land befriedet schien, entsandte die Bundesrepublik 1800 Soldaten für eine so genannte „Internationale Sicherheitsunterstützungstruppe“ (ISAF), welche für Ruhe in Kabul und Umgebung sorgen sollte. Als sich ein Jahr später die Irak–Krise ausweitete, stockte Berlin die Soldaten in Afghanistan auf, um die Amerikaner zu entlasten. Unter Bruch des Bundestagsmandats kämpften auch Fallschirmjäger des ISAF–Kontingents, die eigentlich in Kabul operieren sollten, an der Seite niederländischer Spezialkommandos außerhalb ihres eigentlichen Einsatzgebietes. Ebenfalls waren die Kampftruppen des KSK weiterhin im Osten Afghanistans im Einsatz, wo sie 2005 sogar für die Grenzsicherung zu den unsicheren Nachbarprovinzen Pakistans zuständig waren.

Seit 2005 wurden die KSK–Soldaten nicht mehr unter dem Antiterror-Mandat „Operation Enduring Freedom“ im Süden und Osten eingesetzt, aber unter dem ISAF–Mandat im Norden. Nun machen sie dort aufgrund der weiter angespannten Lage Jagd auf vermeintliche und wirkliche Terroristen. Dabei wurden 2005 – glaubt man beteiligten Soldaten – nur „ein bisschen die Leute erschreckt“. Die deutsche Präsenz wurde im Laufe der Jahre auf verschiedene Nordprovinzen ausgedehnt. Ein verändertes Mandat erlaubt seit 2006 auch zeitweilige Einsätze in anderen Provinzen des Landes, weshalb im selben Jahr der erste deutsche ISAF-Einsatz im Süden und Osten durchgeführt wurde.

Deutsche Fernmelder und Hubschrauber wurden dabei unter anderem in das umkämpfte Kandahar verlegt. Zudem berichten Zeitungen auch von deutschen Beratern, die mit afghanischen Brigaden Kampfeinsätze im Süden des Landes durchführen. Im vergangenen Jahr kam es schließlich zur Operation „Harekate Yolo 2“ (Persisch für „Korrektur der Front 2“), welche vom damaligen deutschen Befehlshaber der Nordbesatzungszone kommandiert wurde. 300 Bundeswehrsoldaten – vor allem Hubschrauberpiloten, Sanitäter und Funker – kamen zum Einsatz, während die norwegische „Quick Reaction Force“ und afghanische Soldaten die Front bildeten. In Norwegen sprach man von den größten Kampfhandlungen des Landes seit 1940.

Parallel zu Überlegungen einer Ausweitung des Mandats versucht die Bundeswehr zuerst so viele nicht-militärische Bereiche wie möglich der Afghanistan-Truppe auszulagern. Hierbei sollen Teile des Engagements privatisiert werden und andere an Behörden des Innenministeriums – so an die angebliche Entwicklungshilfeorganisation „Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit“ und die Katastrophenschutzorganisation „Technisches Hilfswerk“ – übertragen werden. Durch dieses „Outsourcing“ will man so viele Kapazitäten wie möglich freisetzen, um noch mehr Kampftruppen in Afghanistan zu stationieren. Schließlich richtet man sich darauf ein, dass deutsche Soldaten bald direkt an der Front stehen.

Bild: Marinesoldaten während einer Übung auf der Köln im Golf von Aden (08.04.2008).
Picture: Marine soldiers during an exercise onboard the Koln in the Gulf of Aden (04.08.2008).
This picture is in the public domain in the United States because it is a work of the United States Federal Government under the terms of Title 17, Chapter 1, Section 105 of the US Code.

dielinke.campus, Ausgabe Nr. 4 / 2008

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